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Landschaft am Rio Orinoco südlich von Puerto Ayacucho an der Orinoquia Lodge Tag 8: San Fernando de Apure - Puerto Ayacucho - Oriniquia Lodge Der heutige Reisetag stellt einen reinen Fahrtag in Richtung des Rio Orinoco in den Bundesstaat Amazonas dar. Nach einem letzten Einkauf in einem Supermarkt in San Fernando de Apure verlassen wir den Ort in südlicher Richtung, vorbei an den im südlichen Venezuela obligatorischen (Drogen-)Polizei - und/oder Militärkontrollen. Interessant an diesen Kontrollposten sind immer die abgestellten und beschlagnahmten Fahrzeuge neben den Wachhäusern und den auf den Windschutzscheiben aufgemalten Beschlagnahmegründen (Fahrzeug gestohlen, Drogentransport, Waffentransport, ...). Da ich noch länger der alleinige Besitzer meiner Fotoausrüstung bleiben will, erspare ich mir Fotos davon. Wanderdünen in den Grenzbereichen der Llanos? Irgendwie nicht vorstellbar aber Realität bei La Soledad südlich von San Fernando. An diesen Dünen legen wir auch einen Stopp ein und nützen die Zeit für einen Spaziergang auf die Dünen. An den Wanderdünen von La Soledad Auf einer gut ausgebauten Straße fahren wir weiter in Richtung Süden. Auch wenn in den Reiseführen noch davon ausgegangen wird, dass der Ausbauzustand der Straße ab dem Rio Capanaparo schlichtweg nicht mehr vorhanden sein soll, es statt Brücken nur noch Fähren geben soll, so sind wir doch positiv überrascht: Über alle Flüsse bis zum Rio Orinoco gibt es Brücken und die Straßen sind asphaltiert. Südlich des Rio Capanaparo ändert sich auch allmählich die Landschaft. Die unendliche steppenartige Weite des Llanos wird eingegrenzt von den Bergen der Ausläufer des Hochlands von Guyana. Aber im Ort Puerto Paez ist die Straße zu Ende, der hier mehrer Kilometer breite Rio Orinoco versperrt die Weiterfahrt. Zum Übersetzen gibt es eine größere Fähre auf die wir nun warten dürfen, da sie gerade erst vom gegenüberliegenden Ufer ablegt. Wir befinden uns in unmittelbarer Nähe des Zusammenflusses von Orinoco und Rio Meta und somit direkt an der Grenze zu Kolumbien. So werden auch kleine Boote zwischen den beiden Flußufern für den kleinen Grenzverkehr benützt. Fährort Puerto Paez am Zusammenfluß von Rio Meta und Rio Orinoco Fähre über den Rio Orinoco Im strömenden Regen setzen wir auf dem Orinoco über zum Ort El Burro und sind somit im Bundessaat Amazonas angekommen. Dieser ist mit weniger als 2 Einwohner je Quadratkilometer der größte und gleichzeitig dünnstbesiedelte Bundessaat in Venezuela. Wir fahren weiter in die Hauptstadt des Bundesstaates nach Puerto Ayacucho. Im Ort machen wir Halt an einem Kunstgewerbemarkt. Da das Tourismusaufkommen hier im Süden eher bescheiden ist, wirkt er doch etwas weniger kommerzialisiert als oft Anderswo. Nach einer Stunde fahren wir weiter in Richtung Süden zum 30km entfernt gelegenen Tagesziel, der am Rio Orinoco gelegenen Orinoquia Lodge. Typisch Venezuela gibt es natürlich keine Ausschilderung zur Lodge, sodass unser Busfahrer Juan unvermittelt nach rechts in eine Fahrspur abbiegt. Über und an großen Felsen entlang fährt er in Schrittgeschwindigkeit weiter bis wir an einem Felsplateau über den Orinocofluss ankommen. Am Flußufer liegt in einer Flußbiegung die Orinoquia Lodge, eingerahmt zwischen den Stromschnellen Atures und Maipures. Orinoquia Lodge und Rio Orinoco, der Felsen im Vordergrund ist die “Anfahrtsstraße” Übernachtet wird in landestypisch offenen doppelstöckigen Hütten, den Churuatas. Im Eingang steht immer ein Tisch, rechts herum geht es nach unten in den Sanitärbereich, links herum dann über eine offene Steintreppe zum Bett auf einem Podest. Auch die Haupthütte ist offen aufgebaut. Und die Lage der Lodge spricht für sich.
Wohnhütte auf der Orinoquia Lodge Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Aber was gefällt den Jejenes hier nicht, den winzigen Sandfliegen, in anderen Gegenden oft auch Puri-Puri genannt? Geplant habe ich eigentlich nur einen kurzen Spaziergang am “Hotelstrand” vor dem Sonnenuntergang, aber dieser zieht sich bis zum Sonnenuntergang hin. Und zum Sonnenuntergang beginnt der Flugtag dieser winzigen Sandfliegen vor denen auch kein Mückennetz sicher ist. Die Sache wäre ja kein Problem, wie ich an späteren Tagen feststellen kann, wenn man einen Mückenschutz aufgetragen hätte. Weil ich fotografieren wollte, habe ich auf diesen verzichtet, da mein 40%-DEET -Repelent einen guten Appetit auf Kunststoffe haben soll und man mit mitteleuropäischen Mittelchen (Au...) nur hoffen kann, dass sich die Mücken darüber totlachen. Die Sandmücken schneiden mit ihren Mundwerkzeugen die Haut auf und verursachen dann einen tagelangen Juckreiz, übertragen aber fast nie Krankheiten. Immer wenn ein neuer Schmerzreiz hinzukommt, dann hat sich die Trefferquote wieder erhöht. Binnen weniger Minuten besteht mein “Schnittmusterbogen” an den Unterschenkeln aus sicherlich mehr als 100 Einzelmustern, da erübrigt sich jegliches Kratzen an den Juckreizstellen. Aber nach wenigen Minuten ist der Spuk bereits vorbei und es wird dunkel. Zurück im Zimmer kann man dann gleich die ersten tropischen und harmlosen Untermieter begrüßen, die schon vorher erwähnten Frösche. Obwohl die Lodge einen Stromanschluß hat, erzeugt auch hier ein Notstromaggregat die Elektrizität, da die öffentliche Versorgung zu unzuverlässig ist, was wir noch erfahren werden. Tag 9: Oriniquia Lodge - Piaroa Indianer Den heutigen Vormittag wollen wir zum Besuch des Cerro Pintado und einer Indianersiedlung nützen. Mit unserem Bus fahren wir zum Startpunkt der Wanderung. Schon vor 9 Uhr steigen die Temperaturen auf über 30°C und von Wind ist weit und breit nichts zu sehen. Der Weg führt uns am Cerro Pintado vorbei. Am schwarzen Sandsteinfelsen sind präkolumbische Petroglyphen zu sehen, die zu den ältesten in Venezuela zählen.
Präkolumbische Petroglyphen am Cerro Pintado
Findlinge in der Nähe des Cerro Pintado Obwohl der Weg eigentlich nur sanft bergab führt, ist die weitere Strecke bei den schwülen Außentemperaturen eine schweißtreibende Angelegenheit. Nach geraumer Zeit erreichen wir eine Siedlung der Piaroa-Indianer, bereits die letzten Meter wurden wir von einer indianischen Mopedpatrouille eskortiert. In der Siedlung werden wir schon erwartet, wir sollen etwas über die Kultur und Lebensweise der Indianer erfahren, dazu dürfen wir in einem großen Rundzelt Platz nehmen. Anschließend erklärt uns der Kommunenvorsteher im besten Indianerdress vieles über die Piaroa-Indianer und antwortet gerne und ausführlich auf unsere altweltindianischen Fragen zur Kultur der Ureinwohner und den Unterschieden zwischen den verschiedenen Stämmen.
Tourismushütte bei den Piaroa - Indianer
Piaroa - Indiane Feuermachen mit Holz Nach einer Stunde machen wir uns mit den Piaroa-Indianer auf, die Umgebung zu erkunden. Wie aus dem Nichts klaubt unser Indianerguide aus dem Bodendickicht eine riesige Vogelspinne auf, mit ihren Beinen ist sie fast 20cm lang. Diese relativ harmlose Goliath-Vogelspinne, ein Biss ist zwar sehr schmerzhaft aber nicht giftig, wird von Indianern oft als proteinhaltige Nahrungsquelle benützt.
Theraphosa blondi - Vogelspinne (Goliath-Vogelspinne) Auffälliger ist ein gelbschwarzer Pfeilgiftfrosch, ein Gelbgebändeter Baumsteiger. Diese Frösche haben für die Indianer zwei Funktionen. Ihr Hautgift wird als Pfeilgift zur Betäubung der Beute benützt und der Frosch selbst muss als Testobjekt zur Dosierung der Giftmenge herhalten. Mit dem Giftpfeil wird der Frosch angeritzt. Hüpft er ganz normal weiter, war die Dosierung zu gering, hüpft er weniger als 2x, dann war die Giftmenge zu stark für Säugetiere. Mit dem Nervengift der Giftpfeilen soll die Beute ja nicht getötet, sondern nur betäubt werden. Wer will denn schon vergiftetes Fleisch essen? Das Gift der Frösche befindet sich auf der Außenhaut zur Abwehr gegenüber Parasiten und stammt aus der Nahrung der Frösche, v.a. aus Stoffwechselabbauprodukten bei der Verdauung von Milben und Insekten.
Pfeilgiftfrosch (Dendrobates leucomelas) - Gelbgebänderter Baumsteiger 24 Stunden können verdammt lang werden, v.a. wenn sie durch den Biss einer 24 -Stunden-Ameise, oft auch tropische Riesenameise oder “Gewehrkugelameise” genannt, verursacht werden würde. Solch ein Biss soll den mit Abstand schmerzhaftesten Insektenbiss bzw. -stich (Beißen oder Stechen Ameisen?) verursachen und bis zu 24 Stunden anhalten, aber auch ohne bleibende Schäden abheilen (siehe de.wikipedia.org/wiki/24-Stunden-Ameise). Nach dem Schmidt Sting Pain Index soll er sich anfühlen wie “Reiner, intensiver, strahlender Schmerz . Als ob man über glühende Kohlen läuft und dabei einen sieben Zentimeter langen, rostigen Nagel in der Ferse stecken hat” (und dies 24 Stunden lang!). Ein Bienen- oder Hornissenstich wird dort als “Streichholzkopf, der auf der Haut abbrennt” beschrieben. An einer Wurzel im Boden scharrt unser Guide mit einem Stab und die bis zu 3cm großen Ameisen kommen aufgeregt an die Oberfläche. Auf die Aussage unseres Guides, dass die Körperstelle, in die die Ameise beißt, starr für 24 Stunden in der letzten Stellung verharrt, kommt der Spruch aus unserer Gruppe: “Das wäre ja billiger als Viagra und hält auch noch länger nach”. Anschließend dürfen wir Schußversuche mit einem Blasrohr unternehmen. Danach geht es wieder zurück in das Zelt. Zu uns gesellt sich noch ein älterer Indianer voller Tracht, der mir irgendwie bekannt vorkommt. Wie sich später herausstellt, ist er immer auf Tourismusbroschüren über Venezuela abgebildet. Mit vielen neuen Informationen machen wir uns wieder auf den Rückweg zu unserem Bus und fahren anschließend zum verspäteten Mittagessen zurück zu unserer Lodge. Der Nachmittagsspaziergang fällt aber buchstäblich ins Wasser, denn es beginnt in Strömen zu regnen. Aber zum Sonnenuntergang unternehmen wir einen Spaziergang zum Aussichtspunkt am Hügel über der Lodge. Die Aussicht hier über den Orinoco ist phantastisch, bereits jenseits des Flusses beginnt Kolumbien. Wie nicht anders zu erwarten, gibt es heute wieder allerbestes Abendessen.
Aussichtspunkt über dem Orinoco
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