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Tag 5: Altamira de Caseres - Hato El Cedral Bei strahlend blauem Himmel können wir heute unser Frühstück einnehmen, das Wetter ist zu Gestern wie ausgewechselt. Der heutige Tag ist zunächst ein reiner Fahrtag ist das Tiefland von Venezuela. Der Ort Altamira de Caseres selbst liegt wunderschön im bewaldeten Hügelland der östlichen Ausläufer des Andengebirges. Zunächst müssen wir auf einer Seitenstraße bergauf wieder einige Kilometer zurück fahren, um auf die Passstraße ins Tiefland gelangen zu können. Von dort geht es weiter in Richtung Barinitas und der Großstadt Barinas, Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates. Landschaft bei Altamira de Caseres Landschaft bei Altamira de Caseres Von Barinas aus wollen wir dann die kürzere Route in Richtung unseres heutigen Tagesziels, dem Hato El Cedral, nehmen. Zu Beginn kommen wir auch problemlos auf der gut ausgebauten Nebenverkehrsstraße voran, aber nach fast einer Stunde nach Barinas geht uns die Straße aus. Exakter ausgedrückt bedeutet dies, eine abgerissene Brücke und die damit verbundene Baustelle hindern uns an der Weiterfahrt. Es war aber weit und breit kein Baustellenschild, geschweige denn ein Sperrschild zu erkennen. Folglich dürfen wir die ganze Strecke wieder zurückfahren um anschließend weiter über La Veguita nach Hato El Cedral fahren zu können. Wir fahren somit immer tiefer in das Gebiet der Llanos: Llanos bedeutet übersetzt eigentlich nur “Flachland”, dieses Flachland ist aber über 300.000qkm groß, bis zu 1200km lang und zwischen 100 und 400km breit, eingerahmt von den Anden, der Küstenkordillere und dem Fluß Orinoco. Einerseits gelten die Llanos als Steppengebiet mit viel Viehzucht, andererseits aufgrund der vielen natürlichen Wasserläufe und Flüsse als Überschwemmungsgebiet, vor allen in der Regenzeit. Diese Wasserläufe entwässern alle in Richtung zum Rio Orinoco. Im Bundesland Apure, wo wir hinfahren werden, ist die Tiervielfalt der Llanos am größten. Dort soll es viele Kaimane, Wasserschweine, Ameisenbären und Anakondas sowie unzählige Vogelarten geben. Am zeitigen Nachmittag verlassen wir die Hauptstraße und begeben uns auf einen aufgeschütteten Damm, der die ganzjährig befahrbare Verbindungsstraße zum Hauptgebäude des Hato El Cedral bildet. “Hato” bedeutet übersetzt “einsames Gebäude”, Hatos sind aber Haciendas, die südamerikanische Form einer Ranch. Eine dieser Ranches ist der “El Cedral” mit einer Fläche von 55000ha (550qkm) und 20.000 Rindern und über 200 Angestellten. Diese großen Hatos wurde zu Zeiten von Chavez zwangsverstaatlicht und dienen in heutigen Tagen neben der Viehzucht auch den Tourismus. Hato El Cedral Bei der Fahrt über den Damm lässt sich schon das Naturrefugium Llanos ausgiebig in sich aufnehmen, überall gibt es z.Z. auch großflächige Wasserpfützen. Auch die Insektenwelt tritt hier wesentlich stärker in den Vordergrund. Nach einigen Kilometern abwechslungsreicher Fahrt auf dem Damm erreichen wir den Hauptgebäudekomplex des Hato mit den Ranch- und Tourismusgebäuden. Zunächst steht der Zimmerbezug an, denn später wollen wir noch eine “Pirschfahrt” unternehmen. Die Zimmer befinden sich in einzelnen Gebäuden um einen Swimming-Pool verteilt, dieser wird aber z.T. auch von einer Heerschar an Leguanen bewacht. Die Temperaturen am zeitigen Nachmittag sind bei über 30°C und nicht gerade niedrigen Luftfeuchtewerten. Leguane, wie auch die Warane, sind Schuppenkriechtiere. Leguane kommen aber nur in Amerika vor, Warane nur in Afrika, Asien und Australien. Unsere Ausflugsfahrten im offenen LKW können wir nur auf den wenigen Dammwegen durchführen, denn der Rest ist mit Wasser umgeben. Für heute haben wir uns einen diese Dämme ausgesucht. Bereits in unmittelbarer Nähe zum Hauptgebäude sind Kaimane unterwegs. Kaimane sind kleine Krokodile, die bis zu 1,5m lang werden können. Und wo Hyazinthen sind, da können auch die größten Nagetiere der Welt nicht weit sein, die wildschweingroßen Wasserschweine. In ganzen Famlienclans treten sie hier auf. So gestalten sich die nächsten beiden Stunden bis zum Sonnenuntergang als sehr kurzweilig. Hato El Cedral - “Überschwemmungsgebiete” Kaiman im Wasser Kaiman und Schildkröten Zeitig zum Abendessen im Hauptgebäude sind wir wieder zurück, begrüßt von unzähligen Vögeln auf den Bäumen rund um den Swimming-Pool. Nachtaufnahme der Vogelwelt auf einem Baum Da die Geschäftstüchtigkeit des Personals, was Getränkeumsatz zum und nach dem Abendessen betrifft, sehr bescheiden ist, geht es heute zeitig zur Nachruhe aufs Zimmer. Hier gibt es eine erste Bekanntschaft mit tropentypischen nächtlichen Untermietern auf den Zimmern. Es gibt wieder die mir schon aus Brasilien bekannten fast durchsichtigen und dennoch lachsfarbenen etwa 3-5cm großen “Wandsaugnapf-Frösche”. Mit ihren zwei dunkelbraunen Punkten am Kopf , ihren Augen, schauen sie schon urig aus. Kaum schaltet man das Licht ein, dann verschwinden sie wieder. Verschwinden heißt hier, dass sie irgendwo anders hinhüpfen und wenn es nur über Eck von Wand zu Wand ist. Diese Sprünge können aber schnell mehr als einen Meter weit gehen. Da man ja solche Untermieter nicht auf der weiteren Reise im Gepäck mitschleppen möchte, bedeutet dies, dass man das Gepäck sauber verschließen sollte, aber erst nachdem man sich vergewissert hat, dass kein Frosch in der Tasche ist. Da die Zimmer eine Klimaanlage haben, lassen sich auch die tropischen Nachttemperaturen relativ problemlos ertragen. Tag 6: Hato El Cedral Nicht gerade von perfekter Arbeitsorganisation am Hato zeugt das Putzkommando rund um den Swimming-Pool am heutigen Morgen. Zehn Angestellte sind angetreten, aber nur einer hat einen Besen in der Hand und beginnt mit dem Kehren. Am heutigen Tag wollen wir zwei Pirschfahren unternehmen, am Vormittag per LKW und am späteren Nachmittag dann per Boot. Waren wir am Vortag noch die einzigen Gäste, so treffen heute doch noch einige Besucher mehr ein. Der Ablauf der Pirschfahrt ist wie schon zuvor und somit ergibt sich ein abwechslungsreicher Vormittag. Zum Mittagessen sind wir wieder zurück und anschließend heißt es Mittagsruhe. Diese Zeit möchte ich für einen Rundgang durch das Verwaltungsgelände des Hatos unternehmen. Familie Wasserschwein Zeburinder Kaninchenkauz, die einzige Kauzart mit einer Bodenhöhle als Nest Bereits bei den vorangegangenen Pirschfahrten waren mir mehrere 2500l -Anhänge-Unkrautspritzen aufgefallen. Was machen diese hier mitten in einem Gebiet, wo es im weitesten Umkreis keinen Ackerbau gibt? Die eigentlich nagelneuen Geräte sind ein kubanischer Lizenzbau eines spanischen Herstellers und haben, obwohl sie ja neu sind, ihre besten Zeiten bereits hinter sich. Die Reifen sind defekt und die Anhängungen sind verbogen. Sind diese Geräte das Ergebnis von Kompensationsgeschäften zwischen Venezuela und Kuba? Auch der nicht mehr ganz taufrische Kamaz-LKW ist aus russischer Produktion. Trotz Stromleitung ist ein dieselbetriebenes Notstromaggregat im Einsatz, zwei ungebrauchte Ersatzgeräte in unmittelbarer Nähe warten anscheinend schon jahrelang auf ihren Ersteinsatz. Bei sengender Sonne machen wir uns auf den Weg zu unserer Bootstour durch das Überschwemmungsgebiet. Anstatt aus 5m Höhe können wir jetzt fast auf Augenhöhe mit der Tier- und Pflanzenwelt sein. Durch wahre Hyazinthenwiesen bahnt sich der Bootsführer (und gleichzeitig auch der Sightseeing-LKW-Fahrer) den Weg durch das Überschwemmungsgebiet. Sein Ziel ist eine bewaldete Auenlandschaft. Hier will er uns einige “Raubtierfütterungen” zeigen, sei es mit Tieren der fliegenden Art (Vögel) als auch Tieren der (manchmal) springenden Art (Kaiman). Auch wenn es sehr spektakulär anzuschauen ist, muss man dazu Fleischabfälle aus dem Hatobetrieb benützen? Auf geht es zur Bootstour Hoatzin - der lebende Beweis, dass Punker keine Erfindung des Menschen sind Gelenkiger Beutevogel Auenlandschaft in den Llanos Kaimanfütterung Karakara Für eine zweite Fütterung der Kaimane fängt unser Guide aber lebende Piranhas und wirft sie einen Kaiman am Ufer zum Fraß vor. Krokodile können zwar extrem kräftig zubeißen, sie können aber nichts abbeißen. Dies hat zur Folge, dass sie ihre Beute in einem Stück schlucken müssen und dazu muss diese erst in Schluckrichtung gedreht werden. Dass ein Kaiman dazu mehrere Minuten brauchen kann und mehrere Erholungspausen für ihn dazu nötig sind, ist einmal eine ganz neue Erfahrung. Die Natur macht es den Tieren manchmal doch nicht so leicht. Kaiman beim Versuch einen Piranha zu verschlingen Kaimanchef als Mitesser? Mit vielen neuen Eindrücken machen wir uns auf den Rückweg zur Bootsanlegestelle, begleitet von einem herrlichen Sonnenuntergang. Sonnenuntergang Unser Abendessen gibt es wieder am einzigen Restaurant am Platz. Tag 7: Hato El Cedral - San Fernando de Apure Bevor wir heute nach dem Mittagessen den Hato verlassen wollen, steht am Morgen noch eine weitere Pirschfahrt an. Im “Personalbereich” des Hato ist heute ein “Schlachtfest” angesagt, d.h. es wird ein Rind geschlachtet und nun fachmännisch auf venezolanischer Art zerlegt. Dies bedeutet, dass alles um die Innereien herum Zug um Zug abgeschnitten wird. Wenn auch nur einer einmal unvorsichtig ist und mit dem Messer den Darm trifft, dann ist die Sauerei vorprogrammiert. Dass die Schlachtung nicht im entferntesten mitteleuropäischen Hygienevorschriften entspricht, versteht sich fast von selbst. Öffentliches Schlachthaus auf dem Hatogelände Rinderzerlegung in den Llanos Nach dem Mittagessen verlassen wir den Hato, um weiter nach San Fernando de Apure am gleichnamigen Fluß zu fahren. Es sind zwar nur gut 200km Strecke auf einer kaum benützten Hauptverkehrsstrecke (die einzige Durchgangsstraße in 200km Umkreis), aber in Venezuela bedeutet dies mindestens 4 Stunden Fahrt, sodass wir unser Hotel in San Fernando erst gegen 6 Uhr abends erreichen. Obwohl wir uns mitten in einer 300.000 Einwohner zählenden Stadt befinden, läuft auf dem hermetisch abgesicherten Hotelgelände ein nicht zu überhörendes Notsromaggregat. Ein nicht untrügliches Zeichen, dass es mit der Versorgungssicherheit mit Elektrizität nicht gerade weit her ist.
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