25.06 / Tag 11: Paiju - Khorburtse (3825m ü.NN)

Viele Agenturen gehen die Strecke vom Camp Paiju zum gletscheraufwärts gelegenen Camp Urdukas an einem einzigen Tag, dies sind aber dann in diesem Falle mehr als 9 Stunden on tour, bei Temperaturen oft noch in den hohen Dreißigern. Zusätzlich sind es dann auch noch mehr als 600 Höhenmeter nach oben, ohne dass man das ständige Auf-und-Ab mitrechnet.

Aus diesem Grunde hatte uns bereits in Skardu Akbar von der Agentur darauf hingewiesen, dass wir vor Ort diese Etappe auf zwei Tage aufteilen.

Inna und ich waren in Skardu damals noch nicht vom Sinn dieser Maßnahme überzeugt, als Folge daraus werden wir damit bereits einen der vier Tage am Pastore Peak verlieren.

Jetzt am Gletscher stellt sich diese Maßnahme als eine sehr sinnvolle Vorgehensweise heraus, denn alle Trekker, die wir später mit Höhenproblemen sehen, durchwandern diese Etappe an einem Tag. Wir werden heute nur bis zum Lager Khorburtse gehen und morgen dann am nächsten Tag in einer kürzeren Etappe weiter bis zum Camp Urdukas.

Da es auch heute wieder sehr heiß werden kann, starten wir bereits um 5:30 Uhr vom Camp Paiju aus. 5:30 Uhr Trekkingstart bedeutet aber auch Frühstück bereits um 5 Uhr zu haben und Wecken ist dann schon kurz nach 4 Uhr, da ja zuvor noch die (eingeschränkte) Morgentoilette und das Ausrüstung Verstauen anstehen.

Die erste Stunde on Tour sind wir noch am nördlichen Rande des Tals am Braldufluss unterwegs, bevor es ab jetzt für die nächsten Tage nur noch auf den Gletscher direkt vorwärts geht. Der Aufstieg auf den Rand des Baltoro-Gletscher an dessen Ende ist schon einmal mit fast 100 Höhenmetern Anstieg verbunden.

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Ein Blick zurück nach Westen zur Endmoräne des Baltoro-Gletscher, die grüne Oase rechts der Bildmitte ist Paiju

Haben wir alle Sechs aus unserer Gruppe bis jetzt die regelmäßig sich ändernden Verhältnisse unter den Schuhen, ich traue mich fast gar nicht mehr hierzu den Begriff “Weg” zu verwenden, als "bescheuert" aufgefasst, so sind diese Verhältnisse ab dem heutigen Tage vorbei. Ab heute werden die Wegbedingungen erst so "richtig bescheuert". D.h. auf dem bis zu hundert Meter dicken Gletschereis gibt es dann eine meist nur 5-30cm dicke Geröllauflage in den unterschiedlichsten Ausführungen.

In Pakistan spricht man bei solch gearteten Geröllauflagen meist von einem “male” Gletscher, also einem männlichen Gletscher. Weiße Gletscher sind dann “female”. Interessanterweise verwendet Wikipedia bei Gletschern eine ähnliche Nomenklatur. Und auch wenn es heute vom Papier her "wenig Höhe" ist, eben ist da nix. Heute werden dann aus den 600 Höhenmetern “auf dem Papier” wieder über 1000m Aufstieg werden.

Als Entschädigung für die ganzen neuen Strapazen verändert sich aber das Panorama der umgebenden Bergwelt vom genialen Anblick in das absolut Grandiose. Der oft saloppe Spruch “Was Du in Nepal an Bergen in einer Woche siehst, das gibt es im Karakorum an einem Vormittag” scheint sich also doch zu bewahrheiten. Und heute haben wir wieder einen wolkenlosen Himmel.

Das folgende Foto ist übrigens vom gleichen Standpunkt aus fotografiert, wie das Bild zuvor.

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Biaho Peaks (Uli Biaho Tower, Uli Biaho Peak) und ab Bildmitte im Hintergrund v.l.n.r.: Nameless Tower (Trango Tower, 6251m), Great Trango (6286m) und Trango Castle (5753m)

Nicht ganz glauben kann ich zu diesem Zeitpunkt der Reise, dass im folgenden Bild der Berg im Hintergrund (im Bild rot umkreist) der K2 mit 8611m Höhe sein soll, aber zumindest Guide Mussa behauptet diesen Umstand. Eine spätere Recherche auf der bekannten Seite www.himalaya-info.org beim Erstellen dieses Reiseberichts bestätigt diese Ansicht.

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 Die 8611m hohe Pyramide des K2 im Hintergrund

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Wegverhältnisse auf dem Baltoro-Gletscher, eben ist da nix.

Die Streckenfindung auf dem Gletscher ist nicht immer ganz einfach. Der Gletscher verändert immer wieder sein Gesicht, manche Steinmännchen sind durch einen vorangegangenen Murenabgang obsolet geworden. An manchen Stellen ist ein Umweg wegen Steinschlaggefahr notwendig, man muss also auf jeden seiner Schritte aufpassen. Auch wenn nicht (mehr) vermutet, von feinen Sand (eigentlich nur feiner Fels) bis quadratmetergroßen Steinen ist auch heute wieder alles dabei.

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HAP Purman bei einer Pause - irgendwo ist hier der Weg nach Khorburtse (rechts am Hang)

Unsere Mittagsrast machen wir am Camp Liligo, wobei Camp hier eigentlich nur bedeutet, dass es eine Steinansammlung für den Zeltaufbau der Träger gibt und trinkbares Wasser in nicht allzuweiter Entfernung zu erspähen ist. Nur die Gegend rund um das Camp Liligo hat auch noch die dumme Eigenschaft, dass dort sehr viele Fliegen hier ihren Flugtag haben und die Essenspause damit nicht unbedingt vereinfachen.

Fast zwei Stunden gletscheraufwärts in Richtung Osten nach dem Camp Liligo ändert sich der Untergrund am Gletscherrand in eine wahre “Sandwüste”, von der Hangseite her drohen auch einige Landslides (“Hangabrutschungen”) abzurutschen. Aktuell verläuft die Strecke meist am südlichen “Ufer” des Baltorogletschers entlang. Auch gibt es nun eine tiefere Wasserfurt am Auslauf des Liligo Gletschers zu queren. In der starken Strömung geht es bei stellenweise mehr als knietiefem Wasser durch die Furt. Hier beweisen meine sogenannten Kajakschuhe, dass sie bei Wasserquerungen in ihrem Element sind.

Beim Warten am Wasserstrom auf den Rest der Gruppe, was mehr als 45 Minuten dauert, kommt uns auch eine 50-köpfige Mauleselkarawane entgegen. Die Karawane ist auf dem Rückweg zur Versorgung der Armeecamps auf dem Gletscher mit Treibstoff in Kanistern.

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Fast 50 Maultiere in der Karawane an einer Wasserfurt beim Rückweg von einem Militärcamp auf dem Baltoro-Gletscher

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Manchmal geht es nicht ohne nasse Füße - unweit des Camps Khorburtse

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Manchmal geht es auch ohne nasse Füße - unweit des Camps Khorburtse

Von der Wasserfurt aus sind es keine 20 Minuten mehr bis man im Camp Khorburtse ankommt. Das Camp selbst ist außerhalb des Gletschers gelegen, umrahmt von einer schier unglaublichen Gebirgskulisse, gerade bei den heutigen Sichtbedingungen.

Mich umschleicht das Gefühl eines Déjà-vu, also einem Gefühl, diese Situation schon einmal erlebt, gesehen, aber nicht geträumt zu haben. Wie in einem Amphitheater ist die Bergwelt hier angeordnet und alles wirkt so nah. Beginnend im Westen mit den Uli Biaho Tower und Peak, den Trango Gletscher, den vielen Trango Towers, Mount Biale und der Cathedral.

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Khorburtse Camp: Namenloser 5220m hoher Berg, Paiju Beak, Uli Biaho Tower und Peak, Baltoro Gletscher mit See im Gletscher im Vordergrund, die Wasserquerung war in der Bildmitte links ganz hinten

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Ein Ausschnitt vom Bild oben: kaum zu glauben, auf dem Gletschersee treiben kleine Eisberge

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Khorburtse Camp: Uli Biaho Tower und Peak, Trango Gletscher, Trango Towers (Trango Castle)

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Khorburtse Camp: Trango Tower, Mount Biale in Bildmitte 6772m, Cathedral, Lobsnag, rechts geht es auf dem Gletscher weiter in Richtung Concordia

Und alle drei Bilder zusammen als Panorama zur Darstellung in Originalgröße hier oder auf das Bild klicken:

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Es ist noch nicht einmal halb Zwei Uhr als wir im Camp eintreffen.

Der Name Khorburtse bedeutet in der Sprache der Balti “saures Gras”. Rund um das Lager ist fast kein Grün und das Wenige vorhandene anscheinend dann auch noch ungenießbar für die Maultiere.

Nach den obligatorischen Einrichtearbeiten des Camps heißt es nun auch einmal all meine Verletzungen zu inspizieren und zu pflegen. Um meine Blasen an den Fersen zu schonen, bzw. das was von den Blasen noch übrig ist, war ich heute nicht in den Bergstiefeln unterwegs, sondern in den ganz leichten Kajakschuhen. Mit etwas über 200g pro Schuh und einer biegsameren Sohle als Turnschuhe zwar eigentlich ein No-Go auf einem Gletscher, aber bei genügend Umsicht wurden die Fersen heute doch geschont.

Nur zwei “Verletzungen” sind heute neu: Da die Kajakschuhe keine Knautschzone haben, hat es heute am linken Bein die Zehe neben der Großzeh erwischt. An dieser Zehe wird sich dann in absehbarer Zeit auch der betroffene Nagel von der Zeh verabschieden. Dass da heute mit diesem Vorfall um einiges mehr als aktuell angenommen mit diesem Zeh passiert war, werde ich erst Wochen später in Deutschland erfahren.

Zusätzlich durch die weichen Schuhe habe ich mir am rechten Fuß an der Außenseite beim Auftreten auf einen senkrecht stehenden großen Stein den Bereich zwischen Mittelfuß- und Fußwurzelknochen kurzfristig stark überdehnt. Als Folge ist es jetzt schwierig mit den weichen Schuhen an einem linksseitig hängenden Hang zu gehen, da hier der Fuß wegen der Abwinklung des Fußes nach außen hin stark schmerzt. In Normallage und bei einem sofortigen Test in den Bergstiefeln bin ich diesbezüglich komplett beschwerdefrei.

Das Gel im Blasenpflaster, das Pflaster diesmal von einer anderen Firma, ist wieder zu einem in der Socke verteilten Analogkäse geworden, also steht wieder Socken waschen an. Heute steht auch erstmals für das kleine und große Geschäft die ganze Landschaft zur Verfügung, deshalb kontrolliere ich den Weg zu den dazu ins Auge gefassten Örtlichkeiten jetzt schon auf Tretminenfreiheit.

Der Nagel an der vor Tagen angestoßenen Großzeh rechts hat seine Farbe noch nicht verändert, aber irgendwie blubbert es dort etwas, wenn ich auf den Zehnagel mit den Fingern Druck ausübe. Durch die feste Zehenbox in den Bergstiefeln fällt der lädierte Zehnagel untertags nicht weiter auf und heute hatte er ja in den leichten Schuhen quasi Narrenfreiheit.

Wie auch an den vergangenen Tagen, gibt es auch heute wieder ein vorzügliches Abendessen. An den meisten Tagen besteht dieses meist aus einer Suppe, einem fleischhaltigen Hauptgericht mit Reis oder Nudeln und einer Beilage dazu (Gemüse, Salat, Bhat, ...) sowie zusätzlich noch einer Nachspeise in Form von Milch-/Wackel-Pudding oder Ähnlichem.

26.06 / Tag 12: Khorburtse - Urdukas (4000m ü.NN)

Der Weg zum nächsten Camp Urdukas ist vom Camp Khorburste nur eine Halbtagesetappe und wird wieder am südlichen Rand des Baltoro-Gletschers verlaufen. An der Beschaffenheit der Wegstrecke bzw. deren minütlichen Variationen ändert sich kaum etwas. Auch heute ist schon wieder am frühen Morgen wolkenloses Wetter.

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Steinwüste auf dem Weg vom Khorburtse Camp zum Urdukas Camp - Irgendwo dazwischen verläuft der Pfad. Der namenlose 5220m hohe Berg im Hintergrund

Nach kaum 45 Minuten auf der Strecke seit Khorburtse öffnet sich immer mehr ein unbeschreibliches Bergpanorama mit Aussichten bis hin zum Concordiaplatz.

Die beiden folgenden Fotos sind von der identischen Stelle aus fotografiert.

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Nach Norden: Trango Castle, Dunge Gletscher und Cathedral. Die weißen Berge im Hintergrund sind an der Grenze zu China.

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Nach Osten: Broad Peak (8051m) in den Wolken, rechts ist etwas vom Gasherbrum IV (7925m) zu sehen

Das folgende Bild als Ausschnitt aus dem Bild zuvor:

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Irgendwo verläuft hier der Weg - zwei Trekker

Waren wir Gestern noch auf einem trockenen Gletscher unterwegs, so stehen heute doch einige kleinere Bachquerungen an, wir haben Bäche auf einem Gletscher. Manchmal ist auch direkt schon das Eis auf der Oberfläche des Gerölls zu sehen. Bei einer “Bachquerung” rutsche ich leicht aus und ziehe mir eine Schürfwunde unterhalb des rechten Knies durch. Eigentlich eine wirklich harmlose Wunde, nur dieser Bereich wird in einigen Tagen noch sehr von sich reden machen.

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Im Bergauf und -ab auf dem Baltoro-Gletscher - Wasserquerung, (c) by C.d.G.

Aber nicht nur ich bleibe nicht kratzerfrei. Auch der “Wasserquerer” im vorhergehenden Foto wird nur einige Meter nach dem Foto einen Ausfallschritt zu viel machen.

Das hier auch unter normalen Bedingungen nicht gerade geringe Gefahren von der Umwelt drohen, zeigen die nicht wenigen Murenabgänge und Bergstürze, die doch manchmal wieder ganz neue Umwege erforderlich machen.

Bereits vor 11 Uhr erreichen wir das an einem hohen Bergsporn südlich außerhalb des Gletschers gelegene Camp Urdukas. Es ist das letzte Camp bis Concordia und danach außerhalb eines Gletschers. Die Aussicht ist ähnlich wie im Camp Khorburtse, nur die Bewölkung heute nimmt deutlich zu, heute schon vor Mittag, gestern erst in den späteren Nachmittagsstunden.

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Camp Urdukas

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“Grüne Wiesen” am Camp Urdukas

Der Name Urdukas bedeutet in der Sprache der einheimischen Baltibevölkerung “gespaltener Stein”, benannt nach einem großen Stein in unmittelbarer Nähe des Camps. Im Jahre 2011 machte dieser Stein abermals Schlagzeilen, als er nach zigtausend Jahren abermals auseinander brach und mehrere Träger unter sich begrub.

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Findling am Camp Urdukas, welcher im Jahre 2011 zerbrach und mehrere Träger unter sich begrub

Gegen 17 Uhr trifft eine zweite Gruppe im Camp ein, eine Gruppe aus Italien. Wir hatten sie schon in Paiju getroffen, wo sie mit einem Tag Abstand dort angekommen waren. Die Italiener waren heute in Paiju gestartet und hatten heute somit eine Doppeletappe zu bewältigen, was ihre späte Ankunftszeit erklärt.

Preisfrage: Was ist passiert, wenn zumindest alle pakistanischen Männer im Lager mit ihren Augen einen bestimmten Punkt fixieren?

Dass sie einen geilen Berg anschauen - Nein, das lockt kaum einen Pakistani vom Ofen hervor.

Eher fixieren sie einen Anblick, welches mit zwei Bergen bzw. Hügeln im Vorbau ausgestattet, menschlicher Art, weiblichen Geschlechts, Italienerin, langbeinig gebaut, rassiges Aussehen, braun gebrannt und alles nur mit knappem Top und kurzer Hose bedeckt ist. Schon in Paiju hatte die Italienerin damit bei den Pakistanis Aufsehen erregt, denn kurze Hose und schulterfreie Kleidung ist eigentlich in Pakistan nicht erwünscht, zumindest außerhalb eines Treks. Auffällig ist bei der Frau, dass ihr Top auch noch nach Tagen auf dem Gletscher schweißtropfenfrei wie neu gekauft aussieht, natürlich in einer aktuellen grellen Modefarbe.

Während des Nachmittags wird auch unser bisher sich noch bester Gesundheit erfreuender Ziegenbock in essengerechte Einzelteile nach moslemischer Schlachtart zerlegt. Die besten Teile davon gibt es heute zum Abendessen.

27.06 / Tag 13: Urdukas - Goro II (4380m ü.NN)

Die letzte Nacht außerhalb des Gletschers für die nächsten Wochen haben wir hinter uns gebracht. Wie gestern, geht es auch heute die ganze Etappe auf den Geröllfeldern des Baltoro-Gletscher entlang.

Einen kleinen Nachteil hat die Lage des Camp Urdukas für die fachgerechte und örtlichkeitskonforme Erledigung der großen Geschäfte. Vom Camp bis zu den Toiletten sind es doch fast mehr als 10 Minuten, aber zumindest ist der Weg dorthin tretminenfrei.

Gegen 6:30 Uhr starten wir heute und machen uns auf den Weg den Gletscher “bergauf”. Schon nach einigen Minuten ist der “Hausberg” des Camps Urdukas zu erkennen: fast wolkenfrei präsentiert sich der 7821m hohe Masherbrum, bei seiner Entdeckung noch K1 genannt. Die Bezeichnung K1, K2 .. K7 bezeichnend den Gipfel 1 .. 7 von West nach Ost gesehen einer Reihe sehr hoher Berge im Karakorum.

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Masherbrum (K1) 7821m und unmittelbar links daneben der noch nie bestiegene Yermanendu Kangri (7163m)

Der Hauptgipfel des Masherbrum wurde bis jetzt erst viermal erreicht und noch keine Person hat bis jetzt die zentrale Nordostwand des Masherbrums durchstiegen. Auch der Extrembergsteiger David Lama scheiterte 2014. Sein Zitat, „Es ist wie eine Eiger Nordwand mit einem Cerro Torre oben drauf.“ sagt alles über die Schwierigkeit dieser Route aus.

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Masherbrum (K1) 7821m - Nordostwand

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Yermanendu Kangri (7163m)

Die Szenerie rund um den Masherbrum wird uns heute noch den ganzen Tag begleiten. Die Landschaft um uns herum wird rauher, das Geröll wird grobkörniger und der Weißanteil an der Gletscheroberseite nimmt deutlich zu.

Wie an den Vortagen haben wir das Gefühl, fast alleine in dieser Bergwunderwelt unterwegs zu sein. In Urdukas waren es nur die italienische Gruppe und vier osteuropäische Bergsteiger auf den Weg zum Basislager und später zum Gipfel von Broad Peak und Gasherbrum. Nur jede Gruppe startet zu anderen Zeiten, alleine die Träger der anderen Gruppen zeugen davon, dass wir nicht ganz alleine unterwegs sind.

Das Geröll auf dem Gletscher unterscheidet sich meist in zwei Hauptfarben: dass nass wirkende anthrazitfarbene Geröll eher auf der Südseite des Gletschers gelegen und das beigebraune Geröll auf der Gletschernordseite. Und immer hat man das Gefühl, genau die andere Farbe an Geröll wäre jetzt die bessere Alternative zum einfacheren Vorwärtskommen.

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Baltorogletscher - Blick zum Muztagh Gletscher

Auf dem Concordiatrek muss alles an Ausrüstung und Verpflegung von Askole aus mitgenommen werden. Um nicht die Verpflegung überteuert in Askole kaufen zu müssen, bringen die Agenturen das Essen und Trinken bereits per Jeep direkt aus Skardu mit. Haben wir bis Concordia im Esszelt vollkommen ausreichend noch Klappstühle und einen einfachen Klapptisch, so fahren hier andere Anbieter wesentlich gröbere Geschütze auf. Hier werden Gartenstühle und Gartentische die ganze Strecke mittransportiert.

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Stuhl- und Tischträger einer anderen Gruppe

Da ich am gleichen Platz wie die Träger der anderen Gruppe eine Trinkpause mache, laden sie mich zum Mitessen ihres Chapatis (ungesäuertes Fladenbrot) ein, schon aus Höflichkeitsgründen sage ich natürlich nicht Nein. Einer der Träger hat dabei die Verantwortung für den Transport des noch lebenden Frischfleisches in Form von angeleinten Ziegenböcken.

Mittagsrast machen wir im selten verwendeten Camp Goro I, die Szenerie der Bergwelt um einen herum ist einfach überwältigend. Masherbrum (K1) 7821m, Gasherbrum IV (K3) 7925m, direkt daneben die Spitze des Gasherbrum II (K4) 8035m, die Szenerie zurück, man kann sich einfach nicht satt sehen. Und für die Pakistanis gibt es zum Sattsehen wieder unser sonnenbadendes italienisches “Topmodell”.

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Biarchedi 6781m, Masherbrum 7821m in Wolken, der Yermanendu Gletscher davor "Eissegel" auf dem Baltoro-Gletscher

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Gasherbrum IV (K3, 7925m) und direkt rechts dahinter die Spitze des Gasherbrum II (K4, 8034m) - unten in Großaufnahme

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Zubereitung des Mittagessen (Nudelsuppe, Nüsse, Streichkäse und Kräcker)

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Mittagstisch

Die Mittagspause zieht sich heute etwas in die Länge, weil wir vier bereits Eingetroffenen noch darauf warten wollen, dass auch unsere beiden verbleibenden Gruppenmitglieder eintreffen. Einer von Ihnen schleppt seit Jhola eine Erkältung mit sich herum und wird von Tag zu Tag langsamer.

Unsere Sechsergruppe hat sich in den letzten Tagen untertags sowieso in Einzelgruppen aufgeteilt: Die zwei Kanadier immer weit vor uns anderen, v.a. auch weil sie im ganzen Tagesablauf immer 15-30 Minuten vor der geplanten Zeit alles unternehmen, manchmal ist Guide Mussa noch bei Ihnen. Inna ist meist mit Guide Hamid und ich mit HAP Purman unterwegs, so hat jeder sein eigenes Tempo. Die beiden Norweger sind seit Khorburtse die Nachhut entweder mit Guide Mussa oder dessen Bruder Karim.

Der Weg nach Goro führt im Zigzack durch die verschiedenen Gletscherbrüche hindurch, aber wirkliche Gletscherspalten sind nicht zu sehen. Aber bereits 2cm unter der Oberfläche kann das Wasser laufen. Auch wenn die Gletscherbrüche nicht wirklich tief sind, in sie fallen sollte man besser nicht, denn die Wände sind oft steil und glatt und der Gletscherbach verschwindet ganz schnell unter dem Gletscher. Würde man in den Bach fallen, könnte man ganz schnell für ewig lange Zeiten unter den Gletscher verschwinden.

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Gletscherbrüche direkt neben dem “Weg”

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Zwischen Camp Goro I und Camp Goro II - der Weg ist nirgendwo und überall

Gegen 13:30 Uhr erreiche ich unser Tagesziel, das Camp Goro II, welches mitten auf dem Baltoro-Gletscher liegt. Bei der Wahl des Zeltlagerplatzes sollte man jetzt etwas Vorsicht walten lassen. Einer aus unserer Gruppe ist richtig stolz, dass er noch einen genial guten Platz an einem vermeintlichen Steinpodest für sein Zelt gefunden hat. Er meint, mein Zelt sei ja im “Tal” und ich müsse ja sogar noch einen Entwässerungsgraben um das Zelt machen.

Ich sage zu ihm: »Schau’mer mal wer von uns Beiden morgen mehr lacht!«

Ich rede weiter: »Hast Du zum Platz ebnen Steine herausgenommen oder Steine dazugenommen?«

Er: »Steine herausgenommen, was sonst!«

Ich: »Na dann viel Spaß!«

Bereits zwei Stunden später berichtet er mir, dass in seinem und im Zelt seiner Begleitung von unten das Wasser in das Zelt drückt. Ich sage ihm, dass ich bei seiner Vorgehensweise im Zelt auch nichts anderes erwartet habe. Das Zelt mit Inhalt wirkt auf dem Gletschereis wie der berühmte Schlüssel, der im Eis versinkt. Deswegen war das Steine entfernen sehr kontraproduktiv. Und durch das komplette Einebnen hat sich durch das Gewicht des Zeltes und des Inhaltes im Zelt eine Kuhle, in der sich das Wasser sammelt kann, gebildet.

Noch vor dem Abendessen kristallisiert sich heraus, dass die beiden Norweger bereits morgen den Rückweg nach Askole antreten werden. Aufgrund der Unpässlichkeiten und des sehr straffen Zeitplans ihrer Tour ist v.a. dem Vater die Tour nach Concordia zu riskant. Für die Mannschaft hat das jetzt zur Folge, dass das gesamte Equipment aufgeteilt werden muss. Dieser Vorgang wird den ganzen Nachmittag in Beschlag nehmen.

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Camp Goro II, die roten "Abdeckplanen" sind das Nachtlager der Träger - im Hintergrund etwas rechts der Bildmitte der Biange-Gletscher und der im Jahre 2017 noch unbestiegene 7134m hohe Praqpa Ri

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Wer ist der Chef im Ring? Eigentlich überflüssig, da die Menschen beide im wahrsten Sinne des Wortes “zum Fressen gerne haben”

In den Abendstunden zeigen sich all die Berge rundum noch von ihrer besten Seite. Gerade die Westwand des Gasherbrum IV verdeutlicht, warum dieser 7925m hohe Berg als Namensgeber einer ganzen Familie gilt. Gasherbrum bedeutet übersetzt “die leuchtende Wand” bzw. “der schöne Berg”.

Ich sage aber zu Guide Mussa, dass sich das Wetter in den nächsten 24 Stunden deutlich ändern wird. Es sind wieder einige der von mir seit Jahren gefürchteten “Federkiel”-Wolken eine Stunde vor Sonnenuntergang in Windrichtung zu sehen. Immer ein Zeichen dafür, dass ein Tief in Windrichtung wie ein Staubsauger das gute Wetter “wegzieht”. Mussa glaubt mir zwar nicht, ich sage ihm aber, dass er es morgen sehen wird.

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Masherbrum (K1) 7821m im Abendlicht, rechts daneben der 7127m hohe Mandu Kangri und daneben der bisher unbestiegene 7081m hohe Mandu Kangri West

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Masherbrum (K1) 7821m - Nordostwand vom Goro II Camp aus

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Gasherbrum (“die leuchtende Wand” bzw. “der schöne Berg”) IV (7925m), ganz rechts der Mitre Peak, der Achttausender Gasherbrum II ist in den Wolken versteckt

Bei der allabendlichen Wundversorgung in meinem Zelt stelle ich fest, dass sich unter meinem rechten lädierten Zehnagel Eiter befindet, dass sich durch einen leichten Druck auf den Nagel herausdrücken lässt. Der lädierte Zehnagel am linken Fuß schmerzt nur sehr und irgendwie habe ich das Gefühl, dass er ein intensives Anlehnungsbedürfnis an den benachbarten Großzeh hat. Den Grund dazu werde ich erst erfahren, wenn ich wieder zurück in Deutschland bin.

Da ich seit heute kein Blasenpflaster mehr verwende, ich hab einfach keinen Bock mehr auf den “Analogkäse”, wären die Socken eigentlich sauber, aber ist da eventuell Eiter in der Socke?

Um nicht die Blasenwunde an der Ferse mit der Eiterwunde am Zehnagel zu kontaminieren, ziehe ich die Socken ab jetzt auf Links aus und an. Auch werde ich die Wundreinigung immer von der sauberen zur nicht so sauberen Wunde durchführen.

Da mein Fußschweiß absolut geschmacksneutral ist und die Socken auch nach Tagen noch die Geschmacksrichtung "Schuhleder-Waschmittel" haben, erspare ich mir das Waschen der Socken sicherheitshalber. Schon aus Angst heraus, bei den niedrigen "Waschtemperaturen" die Socken zwar sauber zu machen aber dann wegen der Feuchtigkeit der Socken eine Brutstation für Keime zu haben.

Nicht ganz schlau werde ich mit dem Bereich rund um den Fingernagel am rechten Ringfinger. Da bildet sich anscheinend eine Blase am Nagelfalz und Nagelwall. Nur aus welchem Grund? Vor ein paar Tagen habe ich mir zwar die Fingerkuppe an diesem Finger etwas gestoßen, aber eine Wunde war dort eigentlich nicht.

 

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