Schon die Anreise über die Estancia Mylodon gibt uns einen Einblick in die hier vorherrschenden Vegetationsformen. Die Straßenränder sind von einer Unmenge vielfarbiger Lupinen gesäumt und
am Himmel kreisen die ersten Kondore, erkennbar an den 7 abstehenden Flügelendfedern.
Irgendwo in den umliegenden Hügeln wurde auch der Mylodon gefunden, ein Riesenfaultier, das größer als ein Mensch werden konnte.
Am Lago Sarmiento genießen wir den ersten Ausblick auf das (wolkenverhangene) Torres-Massiv, dem ersten Hochgebirge seit der Antarktis.
Auf der Nordseite des Sees bekommen wir auch die ersten Guanakos, eine Wildform der Lamas zu sehen. In der Gegend der Torres sind diese weit weniger scheu, wie woanders. Das Torres-Massiv
selbst befindet sich in einem mehr als 2.000 qkm großen Nationalpark.
Am Parkeingang an der Porteria Sarmiento starten wir unsere erste Wanderung. In gut 2 Stunden geht es fast an der Parkgrenze entlang zum Refugio Laguna Amarga. Guanakos gibt es in Hülle und
Fülle zu sehen. Ein kleines Guanako können wir aus einem Zaun befreien, für ein Zweites kommt unsere Hilfe zu spät, da warten schon die in der Luft kreisenden Kondore. Auch bekommen wir einen ersten Eindruck von der
windigen Gegend hier, vor allem vom eiskalten Wind, der uns in den nächsten Tagen erwarten soll.
Nach der Wanderung geht es weiter zu unserem Zeltplatz am Lago Pehoe, aber vorher prüfen wir noch unsere (Wind-)Standfestigkeit bei einem Aussichtspunkt am Lago Nordenskjöld, benannt nach
einem skandinavischen Forscher. Unser Zeltplatz liegt in kaum zu übertreffender Lage (wäre nicht der Wind) am Lago Pehoe. Auf der anderen Seite des Sees sind die Cuernos (“Hörner”) des Torres-Massivs zu
sehen, neben den Torres (“Türmen”) die zweite markante Gebirgsformation der fast 3000m hohen Berge hier.
Irgendwie ungewohnt für uns alle (Reiseleitung ausgenommen) ist es im Sommer mit Fleecejacke, langen Liebestötern und Gore-Tex-Jacken auf den mitgebrachten Stühlen und Tischen zu essen, eine
Folge des Windes. Ist es mal windstill (man weiß nie wann und wie lange und wo!), dann kommen einen die (gefühlten) Temperaturen urplötzlich um 15-20 Grad wärmer vor.
Tag 6: Torres del Paine NP (Lago Grey, Grey Glacier)
Da wir gute geodätische Zelte (Tatonka Sherpa Dome) zur Verfügung gestellt bekommen, können wir die erste Zeltnacht unter besten Bedingungen verbringen.
Heute nun steht eine Wanderung am Lago Grey an, dem See des gleichnamigen Gletschers, ein bleibendes Erlebnis für uns alle sollte damit beginnen.
Vor allem der extreme Wind am Rande des Gletschersees (man geht nur noch mit 30° Seitenlage und der Wind drückt einem die Nasenflügel zu) fasziniert jeden, da wird jeder zum Kleinkind. Diese
extremen Winde entstehen durch die hohen Temparaturunterschiede des chilenischen Inland-Eisfeldes zur flachen und warmen argentinischen Pampa. Nach dem “Überleben” der ersten Windschneiße gibt es Pisco
on the rocks (Pisco mit Eisbergeis), den Pisco hatte unsere Reiseleiterin Petra dabei.
Eine Augenweide ist die Unzahl an Eisbergen auf dem See, sie brechen alle vom Grey-Gletscher ab, der etwa 20km entfernt in den See mündet (auch wenn das Auge sagt, es seien keine 5km). Am
Seeufer hat sich eine farbenfrohe Flora gebildet, ein Kontrast zum Eis. Und an den Bäumen erkennt man die vorherrschende Windrichtung (“Let’s go west”).
Auf der Rückreise im Kleinbus (unser LKW war für die Nationalparkbrücken zu breit) bieten sich viele interessante Ausblicke auf das Massiv.
Am späten Nachmittag mache ich noch eine kleinere Wanderung auf einen der umliegenden windigen (wörtlich zu nehmen!) Hügel, von wo aus sich ein Ausblick auf See, Massiv und das Eisfeld
bietet. Laut Frank, einem unsrer Reiseleiter, soll es heute sogar noch ziemlich windstill sein.
Tag 7: Torres del Paine NP (Zu den Torres)
Die “Königsetappe” des Circuite del Paine, eines mehrtägigen Trekking-Rundweges rund um das Massiv, dürfen wir heute in Angriff nehmen.
Zu Beginn geht es wieder mit dem Kleinbus zum Start an die Refugio Las Torres. An Höhenunterschied sind dann aber fast 900m zu überwinden. Zunächst geht es zum Refugio Chileno, flach über
Holzbrücken, anschließend steil bergauf auf Pferdetrampelpfaden, immer “unterstützt” von ständig wechselnden Sturmböen. D.h., das Wetter hält sich wenigstens an den alltäglichen Wetterbericht in
Patagonien und der heißt auf Spanisch schlichtweg nur “variables” (eine Übersetzung kann ich mir wohl sparen).
Ist der erste Anstieg geschafft, schlängelt sich der Weg wieder langsam bergab am Rio Ascensio entlang zum Refugio Chileno.
Weiter geht es etwas am Flussbett entlang, dann im Wald immer leicht bergauf. bis man zur Morena Acarrena gelangt, von wo es dann erst richtig interessant wird (schon vorher änderte sich das
Wetter von Hochsommer bis Winteranfang im Halbminutentakt).
Die Morena ist ein Geröllfeld am Hang. Über eine Stunde quält man sich die Steine hinauf, ohne zunächst etwas von dem zu sehen, für was man sich eigentlich abplagt. Aber oben angekommen wird
man für alles entschädigt.
Man bekommt die drei Granitnadeln der Torres zu sehen, die “drei Zinnen” von Patagonien. Kaum zu glauben, dass es von der vorgelagerten, auf 900m ü. NN gelegenen, Lagune fast
noch 2000 Höhenmeter bis zum Gipfel (2850m) sind.
Würde man sie erklimmen wollen, so würde dies wegen des grundsätzlich unbeständigen Wetters hier fast eine Woche dauern. Nach einem Aufenthalt bei schönstem Sonnenschein, geht es wieder auf
den Rückweg. Hatten wir beim Aufstieg teilweise Temperaturen um den Gefrierpunkt, so hat es im Tal am Nachmittag hart an die 30°C, typisch patagonisch.
Tag 8: Torres del Paine NP - El Calafate (Argentinien)
Die Zeit im Torres del Paine Nationalpark ist nun vorbei. Heute soll es nach El Calafate in
Argentinien weitergehen. Richtig interessant sind die Grenzübergänge. In Chile gibt es eine genaue Zoll- und Lebensmittelkontrolle (!) bei der Ausreise, beim argentinischen Zöllner brauchen wir gar nicht
auszusteigen.
Auch ändern sich in Argentinien die Straßenverhältnisse schlagartig. Gab es in Chile kaum Schlaglöcher auf den Straßen/Wegen, so gibt es in Argentinien kaum Straßen auf den Schlaglöchern.
Im Grenzgebiet sehen wir auch die ersten Huasos, die chilenische Ausführung der Gauchos (Argentinien) oder Cowboys (USA) oder Cattlemens (Australien).
In Argentinien geht es nun auf die Ruta 40. Diese Schotterpiste ist eine der beiden Nord- Süd-Verbindungen im südlichen Patagonien.
Erst kurz vor El Calafate am Lago Argentino gibt es so etwas Ähnliches wie eine Teerstraße (war sie vielleicht mal vor 30 Jahren), sicherheitshalber fahren wir aber auf dem Bankett, denn da
sind die Schlaglöcher kleiner.
In Calafate angekommen, heißt es für zwei Nächte in einer ehemaligen Estancia ein Zimmer zu beziehen. Da El Calafate, benannt nach dem hier allgegenwärtigen,
gelbblühenden Calafatestrauch, neben Bariloche ein touristisches Zentrum in Argentinien ist, gibt es auch Internetcafes. Die Datenübertragung hier dürfte aber von der Geschwindigkeit her noch über Trommeln erfolgen.
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