Tag 15: Coihaique - Carretera Austral - Puyuhuapi
Heute nun soll es auf die Carretera Austral gehen, der “Traumstraße des Südens”. Aber was soll da denn so “traumhaft” sein, denke ich mir, wird wahrscheinlich doch
nur wieder die Ruta 40 in Grün sein.
Aber meiner Voreingenommenheit zu dieser Straße wird im Laufe des heutigen Tages ein sehr deftiger Denkzettel verpasst (zum Glück). Denn was ich heute zu sehen bekomme, das ist schon fast
der Fjordland Nationalpark (Südinsel Neuseeland) im Großformat.
Gerade mal gut 200km sind es bis zum heutigen Tagesziel in Puyuhuapi, aber 7 Stunden Fahrt (ohne die Pausen gerechnet) sind angesetzt und notwendig.
Die Carretera Austral, übersetzt “die erdgebundene Autostraße in den Süden”, wurde erst zu Zeiten Pinochets bis 1986 gebaut.
Sie war bis vor wenigen Jahren eine einzige Schotterpiste (besser wäre vielleicht Forstweg) durch den “Urwald” zwischen Coihaique und Chaiten.
Seither werden die Flussdurchfahrten durch Brücken entschärft und vereinzelt ist sie auch schon asphaltiert worden.
Sie ist aber immer noch ein Abenteuer für sich, von der atemberaubenden Natur, auch hervorgerufen von den riesigen Niederschlagsmengen bis 3000mm/Jahr, ganz zu schweigen.
Weil heute mal wieder ein Sprengtag ist, d.h., zwecks Verbreiterung der “Straße” müssen mal wieder ein paar Felsen aus dem Weg gesprengt werden, müssen wir uns heute beeilen.
Ansonsten dürfen wir einige Stunden warten, bis die Straße wieder frei wäre.
Zu Beginn der “historischen”, wenn man das bei 20 Jahren sagen kann, Carretera Austral ist auch noch der alte Dschungelpfad zu sehen, er besteht aus lauter Holzbohlen, die mitten
durch den Urwald gelegt wurden.
Am engen Flusstal entlang schlängelt sich der Forstweg an wunderschönen Lagunen vorbei. Manchmal ist neben dem reisenden Fluss gerade noch Platz für den schmalen Weg. An den Baustellen geht
es noch enger zu.
Ab und zu ist es Millimeterarbeit, damit Frank mit dem LKW über die Brücken kommt, so schmal sind sie. So geht es nun über Stunden Stück für Stück voran, vorbei an grünster Natur und
schneebedeckten Bergen, bis wir den Nationalpark Quelat erreichen. In diesem Nationalpark gibt es nämlich einen “subarktischen Regenwald”.
Ich hab’s zwar auch nicht glauben können, das so etwas möglich ist, aber dichtester Regenwald (Sichtweite 2 Meter!) und 100m danach fängt schon wieder das ewige Eis an. Irgendwie
paradox und doch wieder typisch für Patagonien.
Da wir jetzt fast auf 600m ü. NN angelangt sind (gestartet waren wir bei 100m), können wir uns wieder über die Serpentinen a la Stilfzer Joch auf Meereshöhe hinunterschlängeln, umgeben von
einer Landschaft, die genauso gut auch im Fjordland Nationalpark in Neuseeland sein könnte.
Nach einigen Kilometern Fahrtstrecke erreichen wir den Puyuhuapi-Fjord, Salzwasser ist nun wieder angesagt. Bis zum offenen Meer sind es aber fast noch 150km! Imposant ist die Flora hier. Es
gibt einen Riesenrhabarber (ähnlich dem Bärenklau bei uns), der fast 2m hoch wird und Blätter von der Größe eines Quadratmeter hat. Bei diesen “Naturgewalten” wirkt sogar unser LKW mickrig.
Weiter geht es nun am Fjord entlang. Auf der anderen Fjordseite sind auch die “Thermas de Puyuhuapi” zu sehen, das wohl exklusivste Hotel in Chile mit eigenen heißen Quellen.
Ende der heutigen Fahrtstrecke wird der Ort Puyuhuapi sein, gelegen am Ende des wunderschönen gleichnamigen Fjords. Gegründet wurde der Ort im Jahre 1935 von vier sudetendeutschen
Aussiedlerfamilien, die hier den Urwald rodeten und mit einer auch heute noch sehr bekannten Teppichfabrik ihren Lebensunterhalt bestritten (Genaueres auf der nächsten Seite).
In einem Haus dieser Aussiedler, in der Hosteria Aleman, der Familie Hopperdietzel-Flack werden wir in den nächsten Tagen übernachten, wenn wir die Umgebung von Puyuhuapi in Angriff nehmen
wollen.
Abendessen werden wir heute im Café Rossbach bei Frau Flack, Bier gibt’s aber erst, nachdem der wöchentliche LKW das Bier im Gasthaus abgeladen hat, fast ist hier
noch der Pioniergeist der ersten Siedler zu spüren.
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