Tag 7: Arica - Salpetergeisterstädte der Atacama
Ab in den Süden starten wir heute unsere Tagesetappe, dabei bewegen wir uns auf der Panamericana, der Straße durch den amerikanischen Kontinent. Hier heißt es zunächst wieder an Höhe zu
gewinnen, da sich der Beginn der Atacamawüste, die ab heute unser Begleiter sein wird, auf gut 1200-1400m Höhe befindet. Die Landschaft selbst ist vegetationslos und kaum bewohnt.
Oft wird zwar behauptet, dass es in der Atacamawüste über Generationen nicht regnet und sie damit die trockenste Wüste der Welt sein soll, aber wenn das stimmt, dann müssten unsre
Reiseleiter mehrere hundert Jahre alt sein. Sie haben nämlich schon öfters Regen in der Atacama erlebt.
Die Fahrtstrecke führt zwar meist auf der Hochebene, sie wird aber unterbrochen von mehreren zum Pazifik offenen und grünen Flusstälern, die man auch links auf der Karte erkennen kann.
Dieser Gegend gehörte früher zu Bolivien und fiel erst durch die Salpeterkriege um 1880 an Chile. Und damit reden wir auch schon über den (ehemaligen) Reichtum der Atacama, den Salpetervorkommen.
Übersetzt bedeutet Salpeter das “Salz der Steine”. Die meisten Salpeterminen sind aber südlich der vier Schluchten der Atacama, weil man vor 100 Jahren die Eisenbahnlinien nicht
weiter bauen konnte.
Nach der ersten Fruchtkontrolle (unser Gepäck musste an der Polizeistation durch die Röntgenkontrolle) gibt es auch schon die ersten Geoglyphen zu sehen. Geoglyphen sind Formationen, die als
Positivabbild (Steine auf den Boden gelegt) oder Negativabbild (Boden wurde entnommen) in die Erde, meist an Hängen, vor 1500 bis 500 Jahren gelegt wurden. Was sie bedeuten, das kann man heute nur noch erahnen.
Über endlose Weiten geht die Strecke weiter, unterbrochen von der Mittagsrast im “Nichts”. Die vorbeifahrenden Lastwagen auf der Panamericana wirken dabei wie Machbox-Autos auf
der Modelleisenbahn, bis auf den Wind ist nichts zu hören.
Auf der Weiterfahrt kreuzt auch die erste Windhose unsere Fahrtstrecke.
Anfang des 20.Jahrhunderts war die Atacamawüste hier eine “Boomtown”, war es doch die Hochzeit des Salpeters. Der deutsche Chemiker Justus von Liebig hatte herausgefunden, was
die Indios schön längst wussten, mit Salpeter wachsen die Pflanzen besser. Und in der Atacama gibt es Salpeter fast wie Sand am Meer.
Erst die billigere Gewinnung von künstlichem Salpeter gab in den 50-er Jahren den Garaus für den Salpeterabbau hier in Chile, obwohl noch für Vorräte für Jahrhunderte lagern. Nur 2 Minen
gibt es heute noch, wie z.B. die Officina Maria Elena.
Diesem Schicksal der schnellen Vergänglichkeit unterliegt auch die Officina Humberstone, gelegen an der Abzweigung nach Iquique, geschlossen im Jahre 1960. Heute dienen die Reste der
einstmals 4000 Mann großen Siedlung als Freilichtmuseum. Die Siedlung selbst hatte aber viel Luxus, wie ein eigenes Schwimmbad, ein Theater und vieles mehr. Die technischen Anlagen sind aber weitestgehend abgebaut.
Dafür gibt es aber in der fast schon benachbarten stillgelegten Officina Santa Laura noch viel von den ehemaligen Produktionsanlagen zu sehen. Hier kann man sich noch vorstellen, wie aus den
großen Steinen durch viele Produktionsschritte der Salpeter erzeugt wurde.
In der Abendsonne wirkt das Maschinengebäude fast wie ein aussterbender Dinosaurier. Auch im Jahre 1960 ereilte ihr das gleiche Schicksal wie die Officina Humberstone.
Weiter geht die Reise zu unserem heutigen Rastplatz, denn heute steht die erste Zeltübernachtung an.
Mitten in der Reserva Nacional Pampa del Tamarugal werden wir auf dem Zeltplatzgelände der Parkverwaltung unsere Zelte aufschlagen. In diesem Nationalpark werden die Tamarugal-Bäume wieder
aufgeforstet, die vor dem Salpeterboom so typisch für diesen Bereich der Atacama waren. Irgendwie ungewohnt für eine Wüste.
Nach dem Zeltaufbau heißt es nun für mich Holz für das Lagerfeuer suchen, was sich als gar nicht so einfach herausstellt, denn dürre Tamarugaläste sind halt nun mal nicht unbedingt dürr. Und
zu allem Überfluss haben die Zweige auch noch deftige Dornen, von deren Verteidigungswillen ich heute noch schmerzhafte Erfahrungen machen darf. Aufgrund eigenen Blöd- und Faulheit verzichte ich beim Zerkleinern der
Äste auf Handschuhe.
Und wenn man nun auf einen Ast zwecks Abbrechen draufsteigt, so kann dass doch tiefe Bremsspuren der Dornen in der Hand hinterlassen. Genau von dem kann ich mich auch überzeugen.
Der erste Einsatz von Desinfektionsmittel und Verband war nun schon mal fällig.
Tag 8: Tamarugal NP - Calama
Richtung Süden verlassen wir den Tamarugal-Wald in Richtung des Salar de Pindatos, einer riesigen Salzpfanne in der es wirklich noch seltener wie sonst in der Atacama regnen soll.
Auch hier gibt es wieder gibt es wieder Geoglyphen der präkolumbianischen Kulturen, die wir uns bei einer längeren Wanderung “reinziehen” werden. Die “salzige”
Landschaft wirkt hart wie Beton, knirscht aber wie dünnes Eis.
Zwei herrenlose Güterwaggons stehen auch einsam und verlassen in der Wüste herum, ein Überbleibsel aus der Salpeterzeit.
Auf der weiteren Fahrstrecke verlassen wir auch die Freihandelszone Iquique, was natürliche wieder eine zusätzliche typisch chilenische (exakte) Zollkontrolle nach sich zieht.
Auf Höhe der Officina Maria Elena verlassen wir die Panamericana und folgen der Stromleitung in Richtung Osten, in Richtung Chuquicamata, der größten Kupfermine der Welt. Oder wie manche
sagen, dem größten und dreckigsten Loch der Welt.
Heute werden wir den Ort und die Mine Chuquicamata mit seinen riesigen Abraumhalten nur von Süden her zu sehen bekommen, denn wir fahren weiter zu unserem Abendquartier in die zur Mine
gehörenden 100000 Einwohnerstadt Calama, die 20km südlich der Mine liegt.
Von weiten sieht man schon die immense Umweltverschmutzung hier, wie z.B. riesige Schwefelsäureseen.
Tag 9: Chuquicamata und Chiu Chiu
Bereits beim gestrigen Abendessen hatte uns Marcus auf einen kleinen Missstand hingewiesen, denn heute ist Sonntag. Und neuerdings gibt es in der Mine sonntags anscheinend keine Führungen
mehr. Es wird mich doch wohl nicht schon wieder mit dem Nichtsehen einer Riesenmine erwischen, schon 2001 hatte ich den Fall in Tom Price (Westaustralien).
Allen Unkenrufen zum Trotz wollen wir doch einen Versuch starten in die Mine zu kommen, der ist aber leider nicht von Erfolg gekrönt.
So haben wir leider nicht die Chance das 4,5km mal 3,5km große und dabei auch noch fast 1km tiefe Loch zu Gesicht zu bekommen. Allein an den riesigen Abraumhalten kann man sich schon die
Dimensionen vorstellen.
Täglich werden hier fast 100.000 Tonnen Gestein gesprengt aus denen zunächst Kupfer vor allen für den japanischen und europäischen Markt erzeugt werden. Als Abfallprodukt fällt dabei auch
Molybdän an sowie andere Edelmetalle und 1/3 der Weltproduktion an Lithium.
Da die Wirtschaftlichkeit der Mine immer schlechter wird, hat der staatliche Minenkonzern Codelco mit El Abre am Cerro Abre schon die nächste Mine auf die Beine gestellt, die einmal fast die
gleichen Ausmaße haben wird.
So machen wir uns wieder unverrichteter Dinge auf und verlassen die Minenstadt Chuquicamata. Dabei kommen wir auch an einen kleinen Technikfriedhof der Mine vorbei und können uns doch noch
ein kleines Bild von den riesigen Dimensionen der Technik hier ein Bild machen. Schon allein die Bremstrommeln eines Muldenkippers haben den Durchmesser von mehr als einem Meter.
Durch die typische Landschaft der Atacama geht es weiter zum Indiodorf Chiu-Chiu.
Chiu Chiu selbst ist die touristisch noch nicht erschlossene Variante von San Pedro de Atacama. Auch in Chiu Chiu gibt es eine Adobe-Kirche. Diese hat natürlich nichts mit dem Adobe
Photoshop zu tun, denn Adobe sind die Ziegel aus Lehm.
Die Kirche ist dem heiligen Franziskus geweiht und heute ist der 4. Oktober. An diesem Tag findet in Chiu Chiu die alljährliche Franziskus-Prozession statt, was wir natürlich vorher nicht
wissen konnten. Da wir ja nicht in Chuquicamata sein konnten, haben wir beschlossen zu warten, bis der Festgottesdienst zu Ende ist und die Prozession beginnt.
Nach gut 1 1/2 Stunden Gottesdienst werden die ersten Zaungäste unruhig. Da kann auch keine an der Kirchenmauer abgestellte Harley Davidson Abhilfe schaffen.
Aber was lange währt, kann doch noch beginnen. Aber in welche Richtung geht denn nun die ganze Sache? Die Hälfte der Leute stehen in der einen Richtung, die andere Hälfte in die andere
Richtung. Grund dafür ist, dass alle das Marienbild und die Franziskusstatue anschauen sollen oder müssen.
Und mit Ihren nach meiner Meinung fast schon aufgemotzten Faschingskostümen (z.B. Drachen und Chinesenkostüme) schaut die Sache doch eher nach Chinesenfasching in Dietfurt aus, wie nach
einer kirchlichen Feier. Darüber kann auch nicht der Hirtenstab des anwesenden und der Prozession begleitenden Bischofs hinwegtäuschen.
Unter den Stimmungsmusikklängen einer der beiden Blaskapellen zieht sich die Prozession in Richtung des aufgebauten Altars am Ortsrand.
Die zweite Kapelle, die hinter den kirchlichen Würdenträgern läuft, spielt mehr gediegene Musik. Man hat fast das Gefühl, als würde man in unseren alemannischen Faschingshochburgen den
Winter austreiben wollen.
Wenige Kilometer außerhalb von Chiu Chiu liegt eine Grundwasserlagune. Wie tief sie ist, konnte noch nicht festgestellt werden, auch Jack Cousteau ist mit seinem Tauchgängen gescheitert.
Dieser Wasserflecken ist ein wirklicher Farbtupfer in der sonst so vegetationslosen Atacamawüste.
Kaum haben wir den Mittagsimbiss aufgebaut, erwischt uns eine nicht ganz so kleine Windhose, was bedeute, heute gibt es mit Sand gesalzene Paprikas und Tomaten.
Auf dem See sieht man auch einige Vögel schwimmen, wir selbst nutzen die Zeit zum Faulenzen.
Nach der Mittagspause wollen wir der Pucara Lasana einen Besuch abstatten. Eine Pucara ist eine Siedlungs- und/oder Wehranlage der hier lebenden Kulturen (z.B. Atacamenios) in Zeiten, bevor
die Europäer hier waren.
Die Anlage befindet sich am Rand einer großen Schlucht und ist trotz Ihrer riesigen Größe erst aus der Nähe auszumachen.
Die Anlage wird von den Einwohnern des kleinen Ortes Lasana in Ordnung gehalten. Die Sanitäranlagen haben schon fast Hilton-Charakter und der Kaffee im dorfeigenen Restaurant ist trotz
chiletypischen “Nescafe löslich“ wohlschmeckend.
Anschließend steht die Rückreise nach Calama an, wo wir heute abermals übernachten werden. Wie schon in Arica gibt es auch heute die Vorzüge eines “Bavaria”-Restaurants zu
genießen.
Die Nacht selber verbringen wir wie gestern schon im Hotel.
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