Tag 1 und 2: Deutschland - Arica (Chile)

Soll ich mir die unmögliche Befestigung der Schwimmwesten bei Lan Chile in der Economy-Klasse noch einmal antun (Anmerkung: Bei der letzten Reise mit Lan Chile war immer ein Fuß von mir vor mir selbst wegen der Schwimmwesten eingeschlafen)? Das war eine meiner ersten Gedanken vor der Reisebuchung. Da ich mir schon immer mal vorgenommen hatte, Businessklasse zu fliegen, werde ich diesmal Nägel mit Köpfen machen, unabhängig vom Reiseaufpreis.

Wie in den Jahren zuvor ist der Abflug mit der 3stündigen Anreise vom fränkischen Real-Jurassic-Park zum Rhein-Main-Flughafen in Frankfurt verbunden. Da heute Freitag Nachmittag ist, ist die ganze Sache mit ein paar Umwegen zur Vermeidung der obligatorischen Autobahn A3-Staus verbunden. Trotzdem hat es sich nicht verhindern lassen, gut 2 Stunden vor Abflug anzukommen und rechtzeitig einchecken zu können. Da ich auf den Besuch der “Lounge” verzichte, kann ich auch schon erste Kontakte mit den Leidensgenossen knüpfen, die mich die nächsten 4 Wochen ertragen werden müssen.

Pünktlich startet der Flug mit 4 Mann und 5 Stewardessen in der Businessklasse und vielen in der Economyklasse für die erste Flugetappe nach Madrid. Dort füllt Lan Chile den Airbus 340-300 mit den restlichen Passagieren für den längsten Linienflug ohne Zwischenlandung (11000 km oder fast 14 Stunden) nach Santiago de Chile auf. Hätte ich nicht unwissenderweise “Schnarchklasse” gebucht (so viele “Motorsägenprüfstände” auf so kleiner Fläche habe ich noch nie erlebt), so wäre einer ungestörten Nachtruhe bei fast waagrechten Liegesitzen von Lan Chile nichts im Wege gestanden. Aber der Flug verläuft trotzdem ohne Zwischenfälle.

Auch findet unser Pilot heute nach der Landung das Terminal, sodass wir uns im Unterschied zum letzten Jahr die Fahrt mit den beiden Kleinbussen der Flughafenverwaltung zum Terminal ersparen können. Die Einreise nach Chile verläuft kurz und schmerzlos, nur dass ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen kann, dass der Beamte bei der Einreise noch weniger Ahnung von den chilenischen Ausreiseformalitäten hat wie ich selbst. (Er hat vergessen mir das weiße abgestempelte Ausreiseformblatt auszuhändigen, was zu einem Mehraufwand bei der Ausreise führen wird.)

001q - Arica, Statue auf El Morro

Arica, Christusstatue auf dem El Morro

2003_Chile_Argentinien_0001

Blick vom El Morro auf Arica

2003_Chile_Argentinien_0002

Guanofelsen an der Südküste von Arica

2003_Chile_Argentinien_0005

Guanofelsen an der Südküste von Arica

2003_Chile_Argentinien_0007

Tölpel am Strand

2003_Chile_Argentinien_0010

Kirche von Poconchile aus dem Jahre 1605

2003_Chile_Argentinien_0014

Lluta-Tal kurz nach Poconchile, am Bildrand der Highway ins chilenisch-bolivianische Altiplano

2003_Chile_Argentinien_0015

Kandelaberkaktus

2003_Chile_Argentinien_0022

Putre (3500m ü.NN) mit den Nevados de Putre (5825m ü.NN)

2003_Chile_Argentinien_0023

“Alpenglühen” der Nevados de Putre von Putre aus gesehen

In Santiago haben wir nun 4 Stunden Zeit bis zum Weiterflug ins nördliche Arica. Es glaubt mir zwar keiner von den Mitreisenden, dass wir dabei noch jeweils eine Zwischenlandung in Copiapo und Iquique machen werden, aber bei 3 Zusatzmahlzeiten bei den Zwischenflügen kann sich doch dann jeder vom Gegenteil überzeugen lassen.

Kaum gelandet in Arica, erwartet uns schon die erste Überraschung. Neben der Ankunftshalle stehen doch zwei bekannte Gesichter, die wir eigentlich erst bei der Landung beim Weiterflug ins bolivianische La Paz sehen sollten: Es sind unsere beiden Reiseleiter Sandra und Marcus, die mir bereits durch einen Gästebucheintrag auf meiner Homepage und anschließenden Emailaustausch bekannt sind. Aber was machen die denn in Arica? Eigentlich sollen wir doch in Arica nur Zwischenübernachten und dann nach Bolivien weiterfliegen.

Dieser Umstand löst sich aber sehr schnell auf: Sie haben schon mehrere Tage versucht nach Bolivien zu kommen, wegen der Unruhen in Bolivien war dies aber nicht möglich (Anmerkung: Wir sind am 27.09.2003 in Arica gelandet. Zu diesem Zeitpunkt gab es zu den Unruhen in Deutschland keine Meldungen. Eine Reisewarnung vom Auswärtigen Amt kommt erst Wochen später. Wir hätten zwar in La Paz landen können, wären aber u.U. wochenlang in der Stadt fest gesessen).

So wird es also nichts mit einer Landung auf dem höchstgelegenen internationalen Flughafen der Welt (4200m). Statt dessen wollen wir einen Tag länger im wunderschönen Lauca-Nationalpark bleiben und uns einen Aufwärmtag in Arica gönnen. Nachdem wir unseren Begrüßungstrunk (Pisco Sour, was sonst in Chile) erhalten haben, können wir uns mit unserem Arbeitspferd El Mallcu, einem umgebauten 1824-er Mercedes-LKW, vertraut machen, man sieht im seine 10 Wochen Reiseerfahrung noch nicht an. Anschließend geht es ins Hotel nach Arica. Nach einer duftmäßigen Generalinstandsetzung und etwas Verschnaufpause gönnen wir uns ein frühzeitiges Abendessen (19.30 Uhr ist in Südamerika fast das Ende der nachmittäglichen Kaffeepause).

Tag 3: Rund um Arica

Anscheinend hat mein Verstand nicht kapiert, dass er eigentlich 6 Stunden Jetlag zu überstehen hätte, denn anders kann ich mir nicht erklären, dass ich problemlos einschlafe und wie gewollt um 7.30 Uhr ohne Wecker aufwache.

Als Erstes wollen wir uns heute das Archäologische Museum im Valle de Azapa (Museo Arqueologico San Miguel de Azapa) anschauen, wo vieles zu den prä- kolumbianischen Kulturen des Nordens Chile ausgestellt ist.

Anschließend soll es zum El Morro gehen, dem “heiligen Hügel” der Chilenen, wo sie im Salpeterkrieg die Bolivianer vertrieben und den heutigen Norden Chiles einverleibt haben.

Lange hat man sich darum gestritten, in welche Richtung die Christusstatue auf dem Morro schauen soll, Richtung Meer (wie jetzt) oder Richtung Dreiländereck Peru-Bolivien-Chile.

Den Nachmittag nutzen wir zu einer Fahrt an die Südküste von Arica zu den Guano-Felsen der Vögel. Ich hätte nie geglaubt, dass Vögel soviel Sch... bauen können. Und vor allem, dass es dort vogelische Zeitgenossen gibt, die meinen uns deutschen Touris von Ihren Exkrementen auf unserer Kleidung teilhaben zu lassen. D.h. heute Abend steht schon mal der erste (Kleider-)Waschtag an.

Zum Abendessen geht es ins “Bavaria”, einem “bayrischen” Restaurant, Teil einer chileweiten Restaurantkette.

Tag 4: Arica - Putre (3600m ü. NN)

Beim Verlassen der Großstadt Arica fällt uns erst die wirkliche Lage der Stadt auf. Ähnlich wie z.B. in Lüderitz (Namibia) gibt es zunächst rund um die Stadt nichts als Wüste. Nur das bereits gestern von uns besuchte Azapa-Tal und das Lluta-Tal (sprich “Juta”) bringen einen fruchtbaren und grünen Streifen in das Braun aus Sand und Fels. Nur an ganz wenigen Tagen im Jahr kommt es hier zu Regentropfen.

Das Lluta-Tal ist die “Kornkammer” von Arica. Von hier aus startet die Reise in den Lauca Nationalpark an die chilenisch bolivianische Grenze. Bis zum Ort Poconchile bleibt man im Tal. In diesem kleinen Ort befindet sich eine der ältesten Kirche der Umgebung. Der Kirchenattrappe, es steht eigentlich nur noch die Vorderfront (Bild links), angegliedert ist ein Friedhof, wo auch Personen der letzten großen Malariaepidemie beerdigt sind. Irgendwie paradox in dieser regenarmen Gegend.

Stück für Stück gewinnen wir mit unserem LKW an Höhe, alle 500 Höhenmeter ist eine Trinkpause vorgeschrieben, denn kaum einer von uns hat sich jetzt in solche Höhen vorgewagt.

Je höher man kommt, desto vielfältiger wird die Vegetation. Auch sehen wir schon die ersten Kandelaberkaktus, die hier teilweise bis zu 5m hoch werden.

Der erste Ort, den wir zu Gesicht bekommen, ist Socoroma auf 3060m Höhe. Kaum schaut man in das in einem Tal gelegene Örtchen, so sieht man das grüne Tal, in dem auch Ackerbau betrieben wird (von den Anden kommen ja genügend Niederschläge). Bereits vorher haben wir eine wiederaufgebaute vorkolumbianische Festungsanlage (Fachbegriff Pucara) besichtigt.

Der “Altiplano-Highway” (Alti = hoch, plano = eben) ist in seiner Streckenführung stark der Landschaft angepasst. Mir ist bis zur bolivianischen Grenze auf 4600m ü. NN nur eine kleine Brücke und kein Tunnel bekannt.

Am zeitigen Nachmittag kommen wir in Putre an, von der Lage ähnlich wie Socoroma, nur doppelt so groß und 500 Höhenmeter weiter oben. Über den Ort “wachen” die Nevados de Putre mit ihren fast 6000m Höhe. Der Ort selbst strotzt nur so von Grünflächen und Bächen.

Aber bei den 100m “Rucksackschleppen” bis zum Zimmer bzw. Hütte macht sich doch die Höhe langsam bemerkbar, man braucht einfach mehr Luft.

Die verbleibenden Sonnenstrahlen und damit auch die 20°C nutzen wir noch zu einem Bummel durch die Stadt. Bei der Rückkehr zu unserer Hosteria strahlen die Nevados de Putre im schönsten roten “Alpenglühen”, wie nicht unschwer am linken Bild erkennbar ist.

Nach dem Abendessen kann ich nun getrost der Dinge warten, was mir die Höhenanpassung diese Nacht bringen wird. Üblicherweise beginnen die wirklichen Höhenprobleme in der Nacht.

Schau’mer mal.

 

navleft navup navright