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Ausblick vom Corcovado über Rio de Janeiro Tag 2: Rio de Janeiro – Christus Statue Um 8 Uhr morgens trifft der Rest der Gruppe im Hotel ein, sodass wir nun vollzählig sind. Nach einer Erholungspause für die anderen starten wir mit den ersten Erkundungen in der „cidade maravilhosa“, der „wunderbaren Stadt“ Rio de Janeiro. Es soll zum mitten in der Stadt gelegen Nationalpark Tijuca gehen. Wahrzeichen ist der im Park gelegene 704m hohen Felsrücken „Corcovado“ (übersetzt: “der Buckelige“) mit dem Christo Redentor, dem neuen Weltwunder Christus-Statue.
Christusstatue Aber vorher hat der Herr die Anreise auf den Berg gestellt. Direkt vom Hotel zum Redentor zu wandern ist zwar trekkingtechnisch problemlos möglich, aber ob der Weg als hellhäutiger Touri durch die dazwischen liegenden Favelas ohne einseitige Eigentumsveränderungen vor sich gehen würde, sei dahingestellt. Also erfolgt die Anreise zum Fuße des Berges über die öffentlichen Busse von Rio de Janeiro. Und wer diese Busse einmal benützt, der weiß spätestens dann, warum in Brasilien so viel gebetet wird. Vom Fahrstil der Busfahrer in Rio war Ayrton Senna in der Formel 1 ein lammfrommer Frischling. 20 komplette Fahrspurwechsel bei mindestens 20 Gangwechsel über die 3 spurigen Einbahnstraßen im Hochhausdschungel der Copacabana je gefahrenen Kilometer sind noch die harmlosen Fahrweisen. Dass dabei nur millimeterweise an den anderen Fahrzeugen bei 60-80km/h vorbeigefahren wird und sich dabei noch unzählige Mopedfahrer zwischen die Busse schlängeln, vereinfacht die Sache auch nicht unbedingt. Man muss sich hier seinem Schicksal fügen, aber: In all den Tagen in Rio habe ich keinen einzigen Unfall gesehen! Der Auffahrt zur Christusstatue wäre zwar auch mit dem Bus möglich, authentischer dürfte aber die gut 3800m lange Auffahrt mit der Zahnradbahn mitten durch die Überbleibsel der Mata Atlantica, dem ursprünglichen Wald an der Atlantikküste, sein. Der 38m hohe und gut 1000 Tonnen schwere Christus aus Massivbeton sollte eigentlich schon zum 100.Jahrestag der Unabhängigkeit Brasiliens von Portugal im Jahre 1922 fertig sein. Erst mit finanzieller Unterstützung des Vatikans gelang dies im Jahre 1931. Der in einer Toga gehüllte Christus breitet seine Arme über die Lagoa de Freitas aus mit grandiosem Blick über Rio de Janeiro und dem Zuckerhut. Den Armenvierteln von Rio zeigt er aber nur den Rücken. Ausblick vom Corcovado in Richtung Zuckerhut. Der “Fleck” über dem Wasser und der weiße Fleck links unterhalb des Zuckerhuts auf dem unteren Foto ist ein startender Airbus A320 der brasilianischen TAM Ausblick vom Corcovado in Richtung Zuckerhut Obwohl jahreszeitlich bedingt sehr viel Dunst in der Luft liegt, ist die Aussicht auf Rio und seine Umgebung grandios, sei es der Zuckerhut, die Strände von Copacabana und Ipanema oder der Botanische Garten. Umringt von vielen Touristen lässt es sich hier gut aushalten. Am zeitigen Nachmittag machen wir uns wieder auf die Rückreise zu unserem Hotel im Stadtteil Copacabana. Vom Swimmingpool auf dem Dach des 12-stöckigen Hotels bietet sich ein Blick über die Dächer der Copacabana. Häuserschlucht im Stadtteil Copacabana Typisch für Rio auch hier wieder der Ausblick. An Häusern, die man tags zuvor noch wegen fehlender Fenster und einem sehr ungepflegten Allgemeinzustand als unbewohnt bzw. unbewohnbar gehalten hat, hängt jetzt frisch gewaschene Wäsche aus den Fenstern. Tag 3: Rio de Janeiro – Zentrum und Zuckerhut Mit der Metro fahren wir heute in das Zentrum von Rio de Janeiro. Startend beim Theatro Municipal und der Nationalbibliothek beginnen wir eine „Rundreise“ durch die Innenstadt. Nach den ersten gesammelten Eindrücken genehmigen wir uns eine Stärkung in der im Jugendstil gehaltenen Confeitaria Colombo. Anschließend geht es weiter zu dem am Hang gelegen Convento de Santo Antonio, dem ältesten Kirchenbauwerk von Rio. Im Anschluss folgt die Besichtigung der Catedral de Sao Sebastio. Convento de Santo Antonio Goldüberzogener Altar Die mit gut 100m Durchmesser und fast 80m Höhe in der Form eines Kegelstumpfes gehaltene Kathedrale von Rio wurde in den Jahren 1974-1976 unter Federführung des brasilianischen Stararchitekten Oscar Niemeyer, der auch die „Retorten-Hauptstadt“ Brasilia konzipiert hat, erstellt. In dieser Kirche finden bis zu 20.000 Menschen in einer Ebene Platz. Catedral de Sao Sebastio, rechts der Glockenturm Im Innern der Catedral de Sao Sebastio Nicht weit von der Kathedrale entfernt ist das Terminal dos Bondes in der Nähe des markanten Petrobras-Hochhauses. Hier ist der Beginn der Bondinho, dem Relikt der Straßenbahn von 1896. Nach bester Gallier-Manier widersetzt sich hier die Strecke durch die verwinkelten Gassen des Künstlerviertels Santa Teresa als letzte ihrer Art zum Glück ihrer Abschaffung. Hat Hawaii seine Windsurfer, Deutschland seine S-Bahn-Surfer, so sind dies in Rio die Bondinho-Surfer. Wahre Menschentrauben hängen an der über 100 Jahre alten Straßenbahn aus Holz. Mit akrobatischen Meisterleistungen verhindern sie Zusammenstöße mit Autos, Wänden und sonstigen (Im)Mobilien. Auch werde ich die Vermutung nicht los, dass manche Kurven einfach durch rechte Winkel in den Schienen ersetzt wurden, anders sind mir manche Schwenkbewegungen der Bonde nicht erklärbar. Unterwegs mit der “Bonde” im Stadtteil Santa Teresa Unterwegs mit der “Bonde” im Stadtteil Santa Teresa Um nochmals auf die Surfer zurückzukommen, hat Queenstown in Neuseeland seine Jetboote, der Grand Canyon seine White-Whater-Rafter, aber Rio hat seine Bonde. Denn die Strecke der Bonde führt zwar auch durch Favelas (und das sind in Rio nur selten die bei uns bekannten Blechhüttensiedlungen), sie bietet neben vielen Steigungen und Gefällen aber auch herrliche Ausblicke auf koloniale Villen, bunte Häuser, viel Kopfsteinpflaster und den Hafen von Rio. Da die Schienen auf der normalen Straße verlaufen, ist bei den vorherrschenden Verkehrsverhältnissen jeglicher Fahrplan reines Wunschdenken. In Santa Teresa verbringen wir schlendernd durch das Künstlerviertel die nächsten Stunden, bevor die Bonde wieder für die Rückfahrt herhalten darf. Anschließend geht es wieder mit dem Bus zur Hauptattraktion von Rio, dem 394m hohen Pao de Acucar, dem Zuckerhut. Seinem Namen verdankt der weltbekannte Granitbuckel seinem Aussehen ähnlich einem Zuckerhut. Lange galt er als unbesteigbar, bis dies im Jahre 1817 erstmals gelang. Aber so schwierig wollen wir uns es nicht machen, wir begnügen uns mit der Auffahrt durch die Seilbahn auf den Zuckerhut. Blick vom Morro da Urca auf den Zuckerhut, i Die Auffahrt geschieht in zwei Etappen, zunächst schwebt man auf den vorgelagerten Morro da Urca, der schon einmal einen Vorgeschmack auf den Ausblick vom Zuckerhut bietet. Die zweite Etappe folgt dann auf den Zuckerhut. Mit der Seilbahn auf den Zuckerhut, im Hintergrund die Copacabana Oben auf dem Zuckerhut gibt es eine riesige Aussichtsplattform, damit auch für alle Platz ist. Hier wollen wir die nächsten Stunden bis zur Dunkelheit verbringen und die unverbaubare Aussicht auf Rio mit seinen Stränden Copacabana, Ipanema, Rio Downtown, dem Corcovado mit der Christusstatue, den Inlandsflughafen Santos Dumont, der Brücke nach Niteroi und den Küstengebirgen. So vergehen die nächsten Stunden kurzweilig. Eine beeindruckende Stimmung erzeugt die zunehmende Dämmerung über Rio und das Farbenlicht der Beleuchtungen in Rio. Blick vom Zuckerhut in Richtung der Copacabana Blick vom Zuckerhut in Richtung Rio und der Christusstaue auf dem Corcovado Blick vom Zuckerhut in Richtung Festland Blick vom Zuckerhut in Richtung beleuchteter Christusstatue Irgendwann muss man wieder weiter und der Weg geht zurück mit Seilbahn zur Talstation und anschließend mit dem Bus weiter in Richtung von unserem Hotel. Unser Abendessen nehmen wir im Außenbereich eines Restaurant an der Front der Flaniermeile der Copacabana ein, kaum 3 Häuserblöcke vom Hotel entfernt. Kaum wird es dunkel in Rio, so sieht man erst die Armut und Trostlosigkeit der vom Kapitalismus vergessenen Menschen. Auf den Bürgersteigen schläft so manch eine Familie eng an eng, ein Pappkarton muss als Bettdecke herhalten. Erst jetzt fallen die vielen Kinder mit den Schuhputzkoffern auf. Auch sollte man spätestens jetzt auf Wertgegenstände beim Aufenthalt außerhalb von Gebäuden verzichten. Denn die Beschaffungskriminalität für das Überleben in den angrenzenden Favelas macht nicht vor der Copacabana halt. Irgendwelche Eigentumstransfers von Weiß nach Arm (wobei ich nicht sagen kann, wo bei 131 verschiedenen Hautfarben in Brasilien die Farbe Weiß beginnt) sollte man nicht als Diebstahl sondern eher als die brasilianische Form der Sozialhilfe auffassen, denn auf brasilianische Polizisten ist kein Verlass, dazu aber später mehr. Auch ist es nicht angebracht, nachts am 4km langen Strand der Copacabana entlang zu gehen, denn an der Wasserfront ist er gänzlich unbeleuchtet. Trefflich sind die Verhältnisse in den Favelas von Rio mit vielen Hintergründen in Paulo Lins Roman „Die Stadt Gottes – City of God“ (ISBN 978-3936738124) geschildert, der zugehörige Film wurde für 4 Oscars vorgeschlagen. Dieses Buch bzw. der Film ist aber nichts für zartbesaitete Gemüter. Auch bei mir kam beim Lesen des Buchs nach der Reise des Öfteren die Meinung auf: „Warum denn schon wieder (eine aus “unserer” Sicht unnütz erschossene Person)?“. Man bekommt einen tiefgreifenden Einblick in die Zusammenhänge innerhalb der Favelas. Im weiteren Verlauf der Reise werden wir einmal in der aktuellen Tageszeitung lesen, dass der Vortag, was Tötungsdelikte betrifft, ein sehr ruhiger Tag war, denn es waren ja „nur“ 27 Vorfälle. Schon irgendwie bedrückend, oder anders formuliert: Leben wir, was die Umstände des täglichen (Über-)Leben betrifft, im Paradies und wollen es einfach nicht (be)merken? Tag 4: Rio de Janeiro – Botanischer Garten Bereits im Jahre 1808 wurde damit begonnen, den Jardim Botanico, den botanischen Garten von Rio de Janeiro, anzulegen. Er geht auf eine Gründung des brasilianischen Kaisers Dom Pedro I. zurück. Ihr habt richtig gelesen, Brasilien war eine Zeitlang ein Kaiserreich. Napoleon überfiel zu Beginn des 19. Jahrhunderts Portugal, was zur Folge hatte, dass das Königshaus und der ganze Adel ins Exil in die eigene Kolonie Brasilien auswanderte. Hier wurde das Kaiserreich ausgerufen und auch zunächst beibehalten, als der Hofstaat nach 1815 wieder nach Portugal zurück konnte. Im Jahre 1822 erklärte man die Unabhängigkeit von Portugal. In tiefsattem Grün ist der Park ein Erholungsort mitten in Rio im Stadtteil Leblon, folglich muss für die Anreise wieder der Stadtbus herhalten. Die 800m lange im Jahre 1842 angelegte Königspalmenallee im botanischen Garten ist neben vielen anderen Pflanzen aus dem Urbestand der Mata Atlantica (dem ursprünglichen Wald des atlantischen Schildes) ein Hauptanziehungspunkt. Den ganzen Vormittag verbringen wir in diesem Kleinod. Königspalmenallee im botanischen Garten Sind denn so viele Busfahrer in Rio wie brünstige Geißböcke? Anders ist ihr Fahrverhalten bzw. das Aufbäumen ihrer Busse beim Vorfahrtschaffen in überfüllten Kreuzungen nicht zu erklären. Durch zigmaliges Schnalzen lassen der Kupplung hüpft der Bus wirklich wie der vorgenannte Geißbock um die Kurve. Aber trotzdem kommen wir unbeschadet zur Avenida Atlantica, der Uferstraße an der Copacabana an. Hier beginnt eine Wanderung durch die Strandwelt von Rio. Wäre heute nicht ein Wochentag und das Wetter nicht sehr bewölkt, dann gäbe es auch Strandschönheiten zu sehen, so herrscht jetzt nicht nur bei den Wasserverhältnissen Ebbe. Schaut man zwischen die Hotelburgen an der Avenida Atlantica in Richtung der Berghänge, so schimmern hier viele in den Hang gebaute feste Häuser einfacher Bauart hindurch, die im krassen Gegensatz zur Vorzeigewelt der Copacabana stehen. Da aber alles, was ich nicht unmittelbar am Körper trage, im Hotelzimmer geblieben ist, kann ich davon leider keine Bilder liefern. Den Rang des besten Strandes von Rio de Janeiro hat die Copacabana schon längst an den direkt anschließenden Strand von Ipanema mit dem zugehörigen Stadtteil abgeben müssen. Ist die ehemals malariaverseuchte Copacabana künstlich aufgeschüttet worden, hat sie gefährliche Unterströmungen und muss der Strand künstlich gereinigt werden, so geschieht dies an der Ipanema auf natürliche Art und Weise. An einer Strandbar genehmigen wir uns eine Kokosmilch aus einer frisch aufgeschlagenen Nuss. Zu Fuß geht es wieder zurück zu unserem Hotel.
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